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Ultimatum an Abdic

■ Wieder Kämpfe in muslimischer Enklave Bihać in Westbosnien

Sarajevo/Zagreb/Luxemburg (AP) – Der bosnische Präsident Alija Izetbegović hat die Rebellen der von der Zentralregierung in Sarajevo abgefallenen westbosnischen muslimischen Enklave Bihać ultimativ zur Aufgabe aufgefordert. Radio Sarajevo meldete jedoch gestern neue Kämpfe zwischen Regierungstreuen und aufständischen Truppen. Die von den Rebellen kontrollierte Nachrichtenagentur in Bihać meldete, die Lage sei dramatisch.

Kroatische Medien meldeten, Izetbegović habe den selbsternannten Präsidenten von Bihać, Firket Abdic, auch zur Rücknahme der letzte Woche abgegebenen Sezessionserklärung aufgefordert. Eine Frist dafür wurde nicht genannt. Sollten die Forderungen Sarajevos nicht erfüllt werden, müßten „alle erforderlichen Maßnahmen“ ergriffen werden. Abdic schloß nach Angaben einer von seinen Anhängern ins Leben gerufenen westbosnischen Nachrichtenagentur eine Kapitulation aus. Er erklärte, die Westprovinz wolle in Frieden leben.

Nach Berichten von zu Izetbegović stehenden Militärs aus Bihać kontrolliert Abdic lediglich den Ort Velika Kladusa, wo sich auch der von ihm geführte Konzern „Agrokomerc“ befindet. Abdic habe am Sonntag im nahegelegenen Dorf Polje rund 4.000 Arbeiter des Konzerns versammelt und dort eine „Demokratische Partei Westbosniens“ gründen lassen. Die von ihm angeordnete Besetzung des nördlich von Bihać gelegenen Cazin sei gescheitert. Daraufhin habe Abdic die Beschießung von Regierungstruppen angeordnet. Dabei seien zwei Soldaten verwundet worden. Seit Ausrufung der Autonomie der Enklave sind mindestens ein Dutzend Menschen ums Leben gekommen.

Unterdessen erwägt der Jugoslawienvermittler der Europäischen Gemeinschaft, David Owen, nach dem Scheitern des Friedensprozesses für Bosnien eine Lösung in größerem Rahmen. Owen erklärte gestern in Luxemburg, derzeit gebe es noch keine Pläne für die Fortsetzung der Verhandlungen zwischen den bosnischen Kriegsparteien. Das bosnische Parlament in Sarajevo hatte den Plan der Dreiteilung Bosniens abgelehnt, die Serben und Kroaten zogen daraufhin ihre territorialen Zugeständnisse zurück.

Owen, der an den Beratungen der EG-Außenminister teilnahm, sagte, wenn die Kriegsparteien nicht zu dem vorerst gescheiterten Friedensplan zurückkehren wollten, sei ein neuer Ansatz erforderlich. Denkbar sei eine übergeordnete Lösung für mehrere Krisenherde, die sich aus dem Zerfall Jugoslawiens ergeben hätten. Er zählte dazu neben Bosnien das zunehmend gespannte Verhältnis zwischen Serbien und Kroatien sowie die Zukunft der albanischen Bevölkerung in der serbischen Provinz Kosovo.

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