■ Ukrainische AKW: Setzt Gerhard Schröder auf Atomstrom?: Last-Minute-Nadelöhr
Noch ist Zeit. Erst im September soll in der Europäischen Bank für Wiederaufbau (EBRD) über den Kredit für die ukrainischen Atomkraftwerke entschieden werden. So wie es jetzt aussieht, wird es ein Ja dazu geben. Und dann hat Schröder ein Problem. Bis dahin muß er seiner Bundestagsfraktion und den Grünen erklären, warum er – trotz Bundestagsbeschluß gegen die Kraftwerke – für Atomkraft ist. Und das so gut, daß die Koalition nicht mit einem lauten Knall auseinanderreißt. Mit der Entscheidung für K2/R4 stehen nämlich nicht nur zwei Atomkraftwerke auf dem Spiel, sondern weitaus mehr.
Die Ukraine braucht den Strom nicht – also wird sie ihn exportieren, zum Beispiel nach Deutschland. Mit den Krediten wird aber auch der Finanzierung weiterer Atomkraftwerke im Osten Tür und Tor geöffnet, ein Loch, nein, ein Scheunentor, auf das die Industrie, allen voran Siemens, nur wartet. Bisher haben EBRD und EU nur marode Reaktoren finanziell aufgerüstet – mit K2/R4 würde das erste Mal neu gebaut, ein Präzedenzfall, auf den jeder Atommanager zurückgreifen wird.
Gegen diese Hintertür aus dem Atomausstieg hat Schröder herzlich wenig getan, auch wenn er permanent das Gegenteil behauptet. Das Argument, er könne sich nicht gegen die anderen G-7-Staaten stellen, und die seien nun einmal dafür, zieht nicht. Einige haben nämlich durchaus signalisiert, daß Alternativen möglich sind, zum Beispiel Frankreich vergangene Woche mit seinem kritischen Gutachten.
Auch das Argument, dann würden die Reaktoren wenigstens mit sicherer deutscher Technik gebaut, ist schwach – Deutschland ist auch Spitzenreiter im Export umweltfreundlicher Energietechnik. Das Kohle-Gas-Paket war aber leider nur ein Last-Minute-Angebot. Und wenn Schröder Pech hat, dann tut die Ukraine nicht einmal das, was sie versprochen hat und was ihm wichtig ist: Tschernobyl einsargen. Bisher wurde nämlich kein Reaktor im Osten, an dessen Schließung der Westen interessiert war, tatsächlich endgültig heruntergefahren.
Ein Ja für die Kredite ist demnach ein Ja für Atomstrom in Deutschland, in Europa, im Osten und eine Atombombe für die Koalition. Atomkraft überall, das dürften die Grünen, wenn sie sich selber ernst nehmen, nicht akzeptieren. Ein Nadelöhrchen hat Schröder noch: Die EBRD stellt als Bedingung für die Kreditvergabe, daß das Projekt die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit darstellt. Und das ist K2/R4 nachweislich nicht. Maike Rademaker
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