Überwachungsreform in den USA: Vorratsdatenspeicherung plus
Die Überwachungsgesetze des Antiterrorkampfes stehen vor dem Aus. Das Repräsentantenhaus verabschiedet nun eine Verlängerung mit Einschränkungen.
WASHINGTON afp | Nach langen Debatten hat das US-Repräsentantenhaus für eine grundlegende Geheimdienstreform gestimmt, die das massenhafte Datensammeln der NSA in den USA verhindern soll.
Eine breite Mehrheit von Republikanern und Demokraten stimmte am Mittwoch in Washington für den sogenannten USA Freedom Act, der nun noch den Senat passieren muss. Für die Spähaktivitäten der NSA im Ausland würden sich durch die Reform keine Änderungen ergeben.
Das Vorhaben erhielt parteiübergreifend breite Unterstützung: 388 Abgeordnete stimmten für den USA Freedom Act, 88 lehnten die Vorlage ab. Sowohl linksliberale Demokraten als auch erzkonservative Republikaner wenden sich gegen das systematische Ausspähen von US-Bürgern.
„Die Freiheit der Amerikaner und die Sicherheit Amerikas können koexistieren“, sagte der Vorsitzende des Justizausschusses im Repräsentantenhaus, Bob Goodlatte. „Diese grundlegenden Konzepte schließen einander nicht aus.“ Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, sagte, das Reformvorhaben ermögliche sowohl Transparenz als auch ein flexibles Vorgehen gegen Terrorismus. „Terroristen in aller Welt wollen unser Land und unsere Lebensweise zerstören, und wir müssen unseren Geheimdiensten die Werkzeuge geben, die sie brauchen, um sie zu stoppen“, sagte der Republikaner.
Massenhaft Metadaten
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 waren dem US-Geheimdienst im Patriot Act weitgehende Befugnisse eingeräumt worden. Die Geltungsdauer der Regelungen war sowohl vom damaligen Präsidenten George W. Bush als auch von seinem Nachfolger Barack Obama wiederholt verlängert worden.
Paragraph 215 erlaubt dem Geheimdienst, massenhaft Metadaten der Telefongespräche in den USA – also Telefonnummern sowie Zeit und Dauer der Telefonate – zu sammeln und jahrelang zu speichern. Öffentlich wurde kam dies erst im Juni 2013 durch die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Ein Bundesberufungsgericht erklärte das Vorgehen Anfang Mai für verfassungswidrig.
Die Gesetzesreform soll der NSA das massenhafte Sammeln von Telefondaten sowie von E-Mails und Daten zu Bewegungen im Internet ausdrücklich untersagen. Der Geheimdienst soll künftig nur gezielt Daten von Einzelpersonen oder Gruppen bei den Telekommunikationsanbietern abfragen, die dann für die Aufbewahrung zuständig wären. Die Abfrage soll der NSA nur mit Zustimmung des geheimen Gerichts für nationale Sicherheit (FISA) möglich sein. Das Gericht beaufsichtigt seit 2006 bereits die massenhafte Datensammlung durch die NSA.
Zweifel an Wirksamkeit
Nuala O'Connor vom Center for Democracy & Technology lobte das Votum des Repräsentatenhauses als „großen Gewinn“. Kritiker bemängeln allerdings, die Gesetzesvorlage lasse zu viel Interpretationsspielraum in zentralen Punkten.
Die Formulierung des Gesetzes sei so unpräzise, dass es „wenig Wirkung“ haben werde, sagte der republikanische Abgeordnete Justin Amash. Die Mitbegründerin der Organisation Fight for the Future, Tiffiniy Cheng, erklärte: „Der Kongress versucht, den USA Freedom Act den Amerikanern als Reform zu verkaufen, aber tatsächlich dehnt das Gesetz die Macht der Regierung aus, um unsere Kommunikation unter dem Patriot Act zu überwachen.“ Amnesty International äußerte ähnliche Bedenken und kritisierte, dass der US-Kongress das Ausspähen von Bürgern im Ausland völlig ausblende.
Über die Reform muss nun der Senat bis Ende Mai entscheiden. Der erste Anlauf zu der von Präsident Obama unterstützten Reform war vergangenes Jahr im Kongress gescheitert. Nun steht das US-Parlament unter Zeitdruck, weil am 1. Juni die bislang geltenden Bestimmungen des Patriot Act auslaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis