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Überregionale im freien Fall

■ Nur die Regionalzeitungen Ostdeutschlands haben ihre Leserschaft gehalten

Berlin (taz) — Der 'Morgen‘ als anspruchsvollste überregionale Tageszeitung im deutschen Osten hat nun den Anfang gemacht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß weitere Objekte dem Weg in die Abwicklung folgen werden. Denn der Wind weht den überregionalen ehemaligen DDR- Zeitungen heftig ins Gesicht. Früher waren sie Massenzeitungen mit Millionenauflage. Allein die 'Junge Welt‘ hatte einst als Verbandsorgan der FDJ eine Auflage von rund 1,5 Millionen. Auch das 'Neue Deutschland‘ als Parteiorgan der SED war Pflichtlektüre für alle, die in der DDR was sein oder werden wollten. Und die ehemalige FDGB-Zeitung 'Tribüne‘ lag in Stapeln in jedem DDR-Betrieb aus.

Im Gegensatz zu den ostdeutschen Regionalzeitungen, die immer mehr waren als nur Verlautbarungsorgane der SED und nur geringe Auflagenverluste hinnehmen mußten, setzte bei den überregionalen Zeitungen nach der Wende der freie Fall ein. Für die Ideologieträger und Propagandablätter der alten DDR-Massenorganisationen gab es keinen Bedarf mehr. Die 'Tribüne‘ beispielsweise war bis Herbst 1990 auf rund 140.000 verkaufte Exemplare abgestürzt, mit monatlichen Schwundraten von 20.000 LeserInnen. Ende April lag die verkaufte Auflage bei rund 70.000 Exemplaren. Und das 'Neue Deutschland‘ als Parteiorgan der PDS lag im letzten Quartal bei durchschnittlich 128.000 Exemplaren. Immerhin war es damit immer noch die fünftgrößte überregionale Tageszeitung der wiedervereinigten Bundesrepublik, wenn man von den überregionalen Boulevardzeitungen absieht.

Bis auf 'Tribüne‘ und 'Neues Deutschland' haben sich alle überregionalen Ex-DDR-Tageszeitungen unter das Dach westdeutscher Medienkonzerne begeben: Der 'Morgen‘ wurde von Springer gekauft, das CDU-Parteiorgan 'Neue Zeit‘ vom FAZ-Konzern. Und kürzlich hat die linke „Mediengruppe Schmidt & Partner“ die 'Junge Welt‘ vorm Konkurs gerettet, die derzeit ca. 125.000 Exemplare bei weiterhin abschüssiger Tendenz verkauft. Die unauffällige 'Neue Zeit‘ liegt bei rund 30.000 Exemplaren. Der weitaus anspruchsvollere 'Morgen‘ soll zum Schluß bei jämmerlichen 25.000 gelegen haben.

So ist nicht auszuschließen, daß ausgerechnet die beiden reinen Ostzeitungen den harten Konkurrenzkampf um den schmalen Markt der überregionalen Tageszeitungen überleben werden. Beide geben an, sie hätten inzwischen ihre Auflage stabilisieren können. Das 'Neue Deutschland‘ versucht sich als kritisches Medium mit lockerer Anbindung an die PDS. Die 'Tribüne‘ wurde von einem Ostberliner Bauunternehmer und Arbeitgeberfunktionär erworben und versucht sich als sozial engagierte Wirtschaftszeitung, die den verunsicherten Menschen mit einem umfangreichen Ratgeber- und Lebenshilfeteil zur Seite springt. Allerdings sind alle Angaben über verkaufte Exemplare ostdeutscher Zeitungen mit Vorsicht zu genießen, weil der Postzeitungsvertrieb in den neuen Ländern immer noch wenig Rückschlüsse auf die real verkauften Exemplare zuläßt. marke

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