Überraschungsteam in der NBA: Fideler Favoritenschreck
Die Basketballer der Orlando Magic profitieren nach durchwachsener Vorsaison nun von ihren prächtigen Talenten und den Wagner-Brüdern.
E uropäische Sportfans mögen staunen, aber in amerikanischen Sportligen geht es für Profiteams hoch und runter wie in einem Roller Coaster. Eben noch Primus, hält die Folgesaison nicht selten böse Überraschungen bereit. Oder vice versa: Ein Team, das ohne Chance auf eine Play-off-Teilnahme dahindümpelte und für einen hoffnungslosen Fall gehalten wurde, darf sich als Mannschaft der Stunde feiern lassen.
Das gilt natürlich auch für die Basketball-Liga NBA. Während also zum Beispiel die Memphis Grizzlies heuer abzustürzen drohen, entpuppen sich die Orlando Magic als fideler Favoritenschreck.
Die Korbjäger aus Florida, die in der Vorsaison nur 34 ihrer 82 Spiele gewonnen haben, blicken aktuell auf eine Serie von sieben gewonnenen Partien (insgesamt 12:5). Das hat es in der sogenannten Franchise-History zuletzt 2011 gegeben. In dieser Spielzeit haben die Orlando Magic nicht nur Underdogs beiseitegeräumt, sondern vielmehr Spitzenteams wie die Boston Celtics oder den NBA-Meister Denver Nuggets mit dem wertvollsten Spieler der Liga, dem Serben Nikola Jokić.
Die NBA lässt regelmäßig mit einer Stoßlüftung den Muff aus ihren Hallen. Die Teams tanken Sauerstoff. Über den Draft picken sich die hinten platzierten Mannschaften die besten neuen Talente von den Unis heraus; sie gewinnen die Stars von morgen und neue Hoffnung. Fairness-Booster wie der Salary Cap, eine Gehaltsobergrenze, oder die Luxury Tax, die Luxussteuer für allzu ehrgeizige Teambesitzer mit dickem Portemonnaie, fungieren wie Leitplanken, die den Weg der eben noch Abgehängten nach oben weisen.
Beste Bank der Liga
Die Orlando Magic gehen ihn konsequent. Und das liegt bestimmt nicht daran, dass Teameigner Dick DeVos, ein stramm konservativer Milliardär, den Profis sein Büchlein „Rediscovering American Values“, in denen er Werte wie Ehrlichkeit, Mitgefühl und Selbstdisziplin, harte Arbeit, Nächstenliebe und Vergebung preist, als Nachtlektüre empfohlen hat. Die Mannschaft um Cheftrainer Jamahl Mosley, eine der jüngsten in der NBA, geht geduldig Schritt für Schritt. Die Neueinsteiger, Rookies genannt, passen sich nicht nur ein, sondern werden im Nu zu Leistungsträgern.
Paulo Banchero und der Deutsche Franz Wagner fungieren als Stützen der Mannschaft. Der 2023er-Rookie Anthony Black wird vom Trainer konsequent in die Startformation beordert, obwohl er noch sichtlich zu kämpfen hat und eigentlich nur defensiv überzeugt. Mosley will damit ein Zeichen setzen: Dem Nachwuchs gehört die Zukunft.
Das Team spielt aggressiv, physisch und schnell. Und für den besonderen Push sorgen die Einwechselspieler, die nicht nur Ergänzung sind, sondern im wahrsten Sinne des Wortes – ein Gewinn. Die Orlando Magic haben aktuell die wohl beste Bank der Liga, und dazu gehört auch Franz Wagners Bruder Moritz. Man merkt den Brüdern aus Berlin an, dass sie als Weltmeister zurück nach Florida gereist sind, Champions, die ja unter anderem Team USA spektakulär geschlagen haben.
Franz Wagner liefert gewohnt verlässlich ab; der Flügelspieler erzielt im Schnitt 19,5 Punkte pro Partie, sein Bruder bringt recht regelmäßig das Kunststück fertig, mehr Punkte als Einsatzminuten zu erzielen, also etwa 18 in 17 Minuten Spielzeit. Moritz „Mo“ Wagner ist einer der effektivsten Bankspieler der Liga, der einen zusätzlichen Wert einbringt: totale Hingabe. Er fühlt sich durch seine Rolle als „Second-Unit“-Spieler nicht etwa zurückgesetzt, sondern nimmt auf dem Parkett die Rolle des sogenannten Aggressive Leaders ein.
Den Part teilt er sich mit Aufbauspieler Jalen Suggs, weswegen das Publikum im Amway Center nun manchmal sogar im Stehen den Durchmarsch der Magischen bewundert. Man ist verblüfft und bisweilen enthusiasmiert. Für Ruhe und Ausgleich sorgt derweil Veteran Joe Ingles, und der Dreierspezialist Gary Harris legt seine Fernwürfe mit elegischem Gleichmut in die Reuse.
Kurzum: Das Team funktioniert gerade wie ein geöltes Räderwerk. Die hochtourig laufende Maschine könnte die Orlando Magic, trotz erwartbarer Ruckler, recht sicher in die Knock-out-Runde der Liga bringen. „Ich will den nächsten Schritt machen“, sagt Franz Wagner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag