Überraschung in Wimbledon: Eubanks bietet Tennis total

Christopher Eubanks steht nach einem sensationellem Sieg gegen Stefanos Tsitsipas im Viertelfinale von Wimbledon. Sein Stil berauscht das Publikum.

Eubanks beim Rückhandschlag

Elegante einhändige Rückhand: Eubanks kann es auch auf die feine Art Foto: Alastair Grant/ap

Es war eine schöne Party, die da in der Box von Christopher Eubanks auf Court Nummer 2 abging. Gerade hatte der Amerikaner ein nervenaufreibendes Match gegen den haushohen Favoriten Stefanos Tsitsipas in Wimbledon gewonnen, da hielt es seine Leute nicht mehr auf den Sitzen. Eubanks, ein Schlaks mit Spinnenbeinen, blickte schelmisch auf zu seinen Herzensmenschen. Sein eigener Jubel über den Sensationserfolg im Achtelfinale war gar nicht mal so laut, die Feierei überließ er Freunden und Familie.

Oben im Publikum saß auch Coco Gauff und formte mit vier Finger ein Herz. Eubanks sah die Geste, zeigte auf Gauff und nickte immer wieder. Die Amerikanerin ist selber Profi. Sie ist eines der Gesichter im Frauentennis: klug, reflektierend und ja, sie kann auch Themen abseits ihres Sports setzen. Gauff ist mit ihren erst 19 Jahren etabliert in der Weltspitze. Eubanks, acht Jahre älter, will dort erst noch hinkommen. Die beiden kennen sich gut. Die Erfolgsstory des ehemaligen College-Spielers von der Georgia Tech University hier in Wimbledon ist eng mit den Namen Coco Gauff verknüpft.

Eubanks holt sich immer wieder Rat von seiner amerikanischen Freundin. Genauso wie von Naomi Osaka, einer mehrfachen Grand-Slam-Siegerin. Nach dem Match gegen Tsitsipas verriet Eubanks, wie wichtig für ihn die Begegnungen mit den beiden sind: „Wenn ich mit ihnen zusammen bin und ihre Überzeugung höre, steckt das an. Wenn sie über ihre Ziele sprechen oder darüber, was sie fühlen, komme ich mir ein bisschen wie der Außenseiter vor, weil ich denke: 'Ihr seid mental anders als ich es bin. Ihr seid so viel gefestigter und selbstbewusster, wenn ihr auf den Platz tretet.’“ Aber das war schon auch ein bisschen tiefgestapelt.

Der Tennisspieler Christopher Eubanks hat in den vergangenen Monaten eine sagenhafte Entwicklung genommen. Im März war er noch die Nummer 119 in der ATP-Weltrangliste. Bis dahin hatte er ganze zwei Matches bei den großen vier Grand-Slam-Events gewonnen. Der Sohn eines Baptisten-Priesters hatte große Schwierigkeiten, sich unter die magische Top-100-Marke im Männer-Tennis zu spielen. Aber ab dem Frühjahr flutschte es: Beim bedeutenden Masters-1000er-Turnier in Miami schaffte er es bis in Viertelfinale. Kurz vor Wimbledon gewann er ein Rasenturnier auf Mallorca.

Stürmische Spielweise

Der Erfolg über Tsitsipas ist sein neunter Sieg in Serie. Schon jetzt steht fest, dass er nach Wimbledon eine Platzierung um die Nummer 30 einnehmen wird. All das verdankt Eubanks seinem aufregenden Spielstil. Der Aufschlag ist auf dem schnellen Belag vielleicht die wichtigste Komponente. Der 27-Jährige nutzt beinahe jede Möglichkeit, ans Netz zu stürmen. Auch die feine Klinge beherrscht er. Die einhändige Rückhand ist elegant geschlagen. Oft baut er die vielen Angriffe darüber auf.

Daniil Medvedev, sein nächster Gegner im Viertelfinale am Mittwoch, hat über Eubanks einmal gesagt, er würde „Tennis Total“ spielen. So hat er sich in Wimbledon auch in die Herzen der Zuschauer gespielt. Das Publikum in London hat sowieso ein Faible für Außenseiter. Wer dann noch so aufregend wie der Amerikaner spielt, wird fast schon wie ein Brite gefeiert.

Eubanks ist plötzlich auch Mitglied im exklusiven „Last 8 Club“. Wer in Wimbledon im Einzel mindestens das Viertelfinale erreicht hat oder das Halbfinale im Doppel, kann hier Mitglied werden und hat lebenslange Rechte auf Tickets und Zugang zu einer geschichtsträchtigen Lounge gleich neben Gate 5 hinter dem sich die Church Road befindet. Eubanks wusste davon gar nichts. Fand das aber „schon ganz cool, dort jetzt dazuzugehören“. Im nächsten Moment blickte er aber wieder nach vorn, zu viel verstaubte britische Tradition war nicht seins.

Eubanks ist besonders smart in der Analyse des Spiels. Nach seinem Coup gegen Tsitsipas blieben vor allem diese Sätze hängen: „Das Verrückte am Tennis ist ja, dass man nicht immer sein bestes Tennis spielen muss. Du musst nur in bestimmten Momenten gut spielen.“ Eubanks wird gegen Medvedev wieder klarer Außenseiter sein, aber so wie er gerade spielt, sollte man nicht gegen ihn wetten.

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