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Überlastete Er­zie­he­r:in­nenSenat will weiter an Kitas sparen

Die Qualität der Kinderbetreuung verschlechtert sich laut einer Umfrage weiter. Verdi warnt vor einer „Deprofessionalisierung“.

Froh, wenn sie überhaupt betreut werden: Kita-Kinder beim Spielen Foto: Dann Pettersson

Berlin taz | Auch wenn es in den vergangenen Monaten still geworden ist um die Streikbewegung der Berliner Er­zie­he­r:in­nen, hat sich die Situation für die Beschäftigten und betreuten Kinder nicht verbessert. Das belegt eine neue Umfrage, die die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Mittwoch vorgestellt hat. Auch die vom Senat angekündigte Verbesserung des Betreuungsschlüssels sei nicht ausreichend, um die Missstände zu beheben, kritisieren die Befragten.

Demnach gaben 98 Prozent der teilnehmenden Fachkräfte an, ihre eigenen Ansprüche an den Beruf nicht erfüllen zu können. 89 Prozent stimmten der Aussage zu, „in hohem Maße“ belastet zu sein. Insgesamt machten rund 1.400 Beschäftigte der Berliner Kita-Eigenbetriebe bei der Umfrage mit. Das entspricht fast einem Fünftel der gesamten Belegschaft. Die Erhebung ist aber nicht repräsentativ, da die Teilnahme offen war.

Auch Eltern wurden befragt, insgesamt nahmen 731 Erziehungsberechtigte teil. 67 Prozent gaben an, oft oder sehr oft mit Einschränkungen der Betreuungszeiten in ihren Kitas zu kämpfen. „Die Krise hält unverändert an und hat sich sogar noch verschlimmert“, sagt Gewerkschaftssekretärin Tina Böhmer.

Um die Arbeitsbedingungen in der Kitalandschaft zu verbessern, fordert Verdi einen Entlastungstarifvertrag, dessen Kernbestandteil eine deutliche Verbesserung des Personalschlüssels ist. Der aktuelle, ohnehin schon unzureichende Betreuungsschlüssel werde in der Praxis aufgrund der hohen Krankenstände und bürokratischen Mehraufgaben ständig unterschritten, kritisiert Verdi.

Verbotener Streik

Im vergangenen September wollte Verdi mit einem unbefristeten Erzwingungsstreik den Senat zu Verhandlungen bewegen. Doch das Arbeitsgericht untersagte den Ausstand nach einer Klage. Verdi hat Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Doch streiken dürfen die Er­zie­he­r:in­nen frühestens nach dem Gerichtstermin im kommenden März. Bis dahin gilt Friedenspflicht.

Die Krise hält unverändert an und hat sich sogar noch verschlimmert

Tina Böhmer, Verdi

Die Umfrage zielt indirekt auf die Aussagen der Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch ab, es gebe gar keinen Notstand in den Berliner Kitas. Bei den runden Tischen im Feb­ruar sagte die CDU-Politikerin zu, den Betreuungsschlüssel schrittweise von 5,1 auf 4,1 Kinder pro Er­zie­he­r:in zu reduzieren – zumindest für Kinder unter drei Jahren. Damit liegt Berlin immer noch deutlich über der wissenschaftlichen Empfehlung von drei Kindern pro Fachkraft. 51 Prozent der Befragten sind unzufrieden mit den Zusagen. Sie fordern eine generelle Verbesserung des Personalschlüssels.

Auch wird der Teilerfolg überschattet von den laufenden Verhandlungen über die Kitafinanzierung zwischen den freien Trägern und der Senatsbildungsverwaltung. Laut Verdi will der Senat die Berechnungsgrundlage für den Betrag, der pro Fachkraft erstattet wird, „überprüfen“. Damit solle berücksichtigt werden, dass immer mehr Quer­ein­stei­ge­r:in­nen in den Kitas zum Einsatz kommen, die schlechter bezahlt werden als voll ausgebildete pädagogische Fachkräfte.

Eine Absenkung des Betrags hätte zur Folge, dass sich der Trend zu weniger qualifizierten Personal in den Einrichtungen verstärken würde. „Je geringer die Qualifikation ist, desto schlechter gelingt es, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen“, kritisiert Verdi-Fachreferentin Elke Alsago. Dabei seien durch die sinkenden Kinderzahlen mittlerweile wieder genügend Fachkräfte vorhanden, um kindgerechte Betreuungsschlüssel mit voll ausgebildeten Fachpersonal zu besetzen.

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