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Übergriff auf DemonstrantenPolizisten stehen auf Prügelfilme

Unter Polizisten wird die Attacke auf einen Demonstranten verurteilt. Die vom Präsidenten angekündigte individuelle Kennzeichnung lehnen die geschlossenen Einheiten aber weiterhin ab.

H. macht sich Notizen, kurz danach wurde ihm der Zettel abgenommen Bild: screenshot youtube.com

Der Polizeiübergriff auf einen 37-jährigen Radfahrer wird in der Berliner Polizei heftig diskutiert. Allen voran bei den 1.800 Polizisten der geschlossenen Einheiten. "Alle, mit denen ich gesprochen habe, kennen den Film", sagt ein Beamter, der bei den Einsatzhunderschaften (EHU) herumkommt. Gegen zwei Beamte der 22. EHU ist wegen des Vorfalls, der sich Samstag bei der Demonstration gegen Datenspeicherung ereignete, ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet worden. Der Chaos Computer Club hatte die Attacke gefilmt und ins Netz gestellt.

Der Film sei bei der Polizei "der Renner", sagt der Beamte. Egal, ob es sich um die Mannschaft oder um Führungsbeamte der geschlossenen Einheiten handele - "die meisten Kollegen empfinden das Gezeigte als Katastrophe". Man frage sich, wie es zu so einer "aggressiven Überreaktion" habe kommen können.

Wenn nicht "urplötzlich" noch ein anderes Video auftauche, das den Vorfall in einem ganz anderen Licht zeige, sehe es für die beschuldigten Kollegen gar nicht gut aus, so der Beamte. "Es sei denn, es zeigt sich: alles ist inszeniert und gestellt". Generell beschreibt er die Stimmung so: "Wie blöd muss man eigentlich sein, um so was zu verbocken?"

Zudem ärgere die Kollegen, dass die zunehmende Brutalität gegen Polizeibeamte in der öffentlichen Diskussion durch den Film "völlig untergeht". "Der Vorfall hat sehr viel kaputt gemacht", sagt der Beamte. Denn nun würden die Befürworter der persönlichen Kennzeichnung "wieder Aufwind bekommen".

Wie berichtet wird die von Polizeipräsident Dieter Glietsch geplante Einführung der individuelle Kennzeichnungspflicht von den geschlossenen Einheiten strikt abgelehnt. Begründung: Die Beamten müssten bei Demonstrationseinsätzen schwierige Situationen bewältigen. Ihre Befürchtung sei, Nachstellungen und falschen Anschuldigungen ausgesetzt zu sein, wenn sie persönlich identifiziert werden könnten. "Der Widerstand ist ungebrochen", so der Beamte.

Glietsch hatte am Dienstag in der taz erneut angekündigt, auch die geschlossenen Einheiten würden mit Einführung der neuen blauen Uniformen 2010 individuell gekennzeichnet. Dabei will er den Angehörigen der EHU aber die Wahl zwischen Name und Nummer am Einsatzanzug lassen. Bei der Nummer ist an die persönliche Dienstnummer gedacht, die jeder Beamte hat und eigentlich auf Nachfrage von Bürgern herausgeben muss.

Die Frage ist, ob Glietsch sich durchsetzen kann. Die Polizeigewerkschaften und Personalräte sind gegen das Vorhaben. Der stellvertretende Landesbezirksvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Purper, bezeichnete "die wieder entflammte Diskussion über eine Zwangskennzeichnung" als "absolut unnötig" und "Wahlkampfgerassel".

Glietsch werde das Verfahren auf alle Fälle "bis zum Ende betreiben", so ein Polizeisprecher. Sobald alle Stellungnahmen zusammen seien, werde der Präsident das Mitbestimmungsverfahren einleiten.

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6 Kommentare

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  • B
    Blaumeise

    Nunja, interessant sind auch die zusammengefassten Reaktionen in einem Polizeiforum, von Einsicht keine Spur:

    http://www.fixmbr.de/polizeigewalt-und-die-reaktionen-einiger-polizisten/

  • P
    Peacewood

    Diese Diskussion ist allerdings total unnötig.

    Polizisten, die sich an geltendes Recht halten, müssen auch keine Angst davor haben, durch eine Kennzeichnung jederzeit identifizierbar zu sein.

    Wen eine solche Kennzeichnung stört, der darf einfach nicht zur Polizei gehen.

    Allerdings zeigten die Ereignisse des vergangenen Wochenendes in Berlin wohl sehr deutlich, warum die Beamten nicht identifizierbar sein möchten.

  • M
    Makeze

    die überschrift ist tatsächlich mißlungen...

     

    was mich an dieser diskussion am meisten stört, ist dass sich offenbar alle damit abgefunden haben, dass polizisten sich nur in den seltensten fällen gegenseitig beschuldigen und zur anzeige bringen. es scheint weithin akzeptanz für die drei äffchen zu geben, schliesslich kann man ja auch nicht von jemandem erwarten von seinen kollegen im nachhinein schickaniert und gemobbt zu werden.

     

    würden die polizisten die selbe kontinuität und unnachgiebigkeit mit der sie vergehen unter der zivilbevölkerung verfolgen auch untereinander aufweisen, wäre diese kennzeichnungsdebatte völlig überflüssig. die beamten haben es letzendlich einigen schwarzen schafen in ihren eigenen reihen zu verdanken.

  • WB
    Willi Bahrenberg

    zu micha:

    Völlig richtig. Die Überschrift ist außerdem sachlich falsch, steht doch direkt im zweiten Absatz, die meisten Polizisten empfänden "das Gezeigte als Katastrophe".

    Und dass der Film bei Polizisten auf großes Interesse stößt, also "der Renner" ist, ist ja wohl völlig verständlich, geht es hier doch um ein Vergehen, dass von Kollegen begangen wurde.

  • A
    armesdeutschland

    Die Bürger müssen ihre "Dienstnummer", bzw. Ausweis, ja auch auf Verlangen vorzeigen, und dürfen sich, anders als Polizisten, nicht mal vermummen. Man könnte daher ja auch auf die Idee kommen, dass auch Bürgern so ein gewisses "Stalking" drohen könnte - etwa einem gewissen Radfahrer, von dem plötzlich wie von Zauberhand irgendwelche Videos auftauchen, der plötzlich "selber schuld" sein soll, dass er paar "aufs Maul" bekommt, weil er sich nicht servil und untertänig genug benimmt, und sich erdreistet, nach Dienstnummern zu fragen (die auf Verlangen genannt werden müssen und offenbar nicht werden). Nur so ein Gedanke...

  • M
    micha

    die überschrift is völlig unnötig und hat bild-niveau! danke taz