Überflüssige Stadtplanung: Große Posse um kleinen Tunnel
Die Fußgängerzone in Vegesack soll auf 20 Meter untertunnelt werden. Überflüssig und unsinnig, sagen heute die meisten - aber der Baubeginn steht kurz bevor.
Fußgänger-Tunnel sind eigentlich out. In Bremen wurde gerade der Brill-Tunnel unter der stark befahrenen Bürgermeister-Smidt-Straße dichtgemacht. Menschen nutzten diese dunklen Tunnel immer seltener und die Geschäftsleute oben sehen die Passanten lieber an ihren Schaufenstern.
In Bremen-Vegesack ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen. Dort wird ein 20 Meter langer Fußgänger-Tunnel unter einer Fußgängerzone hindurch geplant. Der Tunnel sei dem Interessenten einer Bowlingbahn versprochen worden, die im Erdgeschoss des alten Kramerhauses entstehen sollte, war 2009 die Begründung gegenüber dem Vegesacker Beirat gewesen. Die Bowling-Gäste wollten gern zwei Treppen sparen und ebenerdig ins Parkhaus gelangen.
Inzwischen sind die Verhandlungen mit dem Bowling-Center geplatzt. Was soll also der Tunnel, fragt seitdem der FDP-Beiratspolitiker Rainer Buchholz immer wieder. Das für die Kramer-Immobilie geplante Einkaufszentrum "Netto" lege Wert auf den direkten Zugang zur Park-Tiefgarage, wurde ihm geantwortet.
Das war, als der Tunnel beschlossen wurde, nicht die Begründung gewesen, insistiert Buchholz. Insbesondere die Markt-Betreiber auf dem Sedanplatz, denen schon die - inzwischen gescheiterte - Markthalle vor die Nase gesetzt wurde, beschweren sich: Warum sollen die Leute, die bei Netto einkaufen, nicht die 20 Meter in der Fußgängerzone gehen, am Grünmarkt vorbei?
Nun hat Christina Stylianow, die Sprecherin der Netto-Mutter Edeka, gegenüber buten&binnen freimütig erklärt, der Tunnel-Zugang zur Tiefgarage sei kein "Muss" für Netto, sondern nur ein "schöner Service für unsere Kunden". Deswegen zahlt Netto auch keinen Anteil an den 371.000 Euro, die für den Tunnel veranschlagt sind. Die Experten der Wirtschaftsförderung und des Wirtschaftssenators waren davon überrascht.
Zuständig für das Geld ist die Finanzsenatorin. Der Haushaltsausschuss hatte die Summe vor zwei Jahren bewilligt - allerdings gegen das Votum der Finanzsenatorin. Seitdem steht es dem Wirtschaftssenator zur Verfügung. Der ist in Urlaub. Seine Fachleute haben bei Netto angefragt, ob es denn wirklich stimmt, was die Firmensprecherin da im örtlichen Fernsehen gesagt hat. Im Vertrag jedenfalls, soweit ist klar, ist der Fußgänger-Tunnel nicht ausdrücklich genannt.
Zuständig für die Verhandlungen mit Netto ist die Bremer Wirtschaftsförderung, heißt es beim Senator für Wirtschaft. Man könne daher zu den Verhandlungen nichts sagen. Zuständig für die Planung des Kramer-Umbaus ist das Wirtschaftsressort, sagen die Wirtschaftsförderer. Zu der öffentlichen Äußerung von Edeka könne man daher nichts sagen. Und werde erst einmal abwarten.
Da der gesamte Kramer-Umbau im kommenden Februar fertig sein muss, sollten die Arbeiten am Tunnel "bald losgehen", sagt der Bauleiter.
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