Kommentar: Überflüssig?
■ Die Kammer muß sich neu legitimieren
Als sich das Bundesverfassungsgericht (BVG) 1974 mit dem Thema der Bremer Arbeitnehmerkammern befassen mußte, hat es sich deutlich herumgewunden. Die Pflichtzugehörigkeit ist ein Eingriff in Individual-Grundrechte, erfüllen die Kammern nicht nur Aufgaben, die auch ohne Eingriffe in Grundrechte erfüllt werden könnten? Zum Beispiel durch Gewerkschaften?
Das BVG wertete den Eingriff in die Individualrechte damals gering mit Hinweis darauf, daß die Kammern ihre Mitglieder zu nichts verpflichten können außer zur Zahlung von ein paar Mark im Jahr. Das Gericht meinte aber, daß in Bundesländern, in denen keine existierten, „dem Einwand der Überflüssigkeit“ möglicherweise „größeres Gewicht“ zukommen würde. In Bremen gebe es diese Kammern nun einmal und es müsse deshalb unterstellt werden, daß der Gesetzgeber „anzuerkennende sachliche Gründe für ihre Regelung hatte“.
Der Gesetzesvorstoß der FDP fordert die Kammern heraus, ihre Existenz neu zu begründen. Wenn sie selbstgefällig auf „Rechtsberatung“ und „Weiterbildung“ verweisen, dann kann man nur sagen: das geht auch ohne. So wie die Kammern in den letzten Jahren waren, läßt sich die Zwangsmitgliedschaft für sie nicht mehr begründen.
Klaus Wolschner
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