: Überall unentschieden
Nach dem 1:1 gegen den SC Freiburg nähert sich der TSV 1860 München den Abstiegsrängen. Dabei tritt die Mannschaft ähnlich auf wie das Präsidium der Löwen: ziemlich orientierungslos
AUS MÜNCHEN JOACHIM MÖLTER
Der TSV 1860 München hatte eine aufregende Woche hinter sich mit dem Rücktritt von Karl-Heinz Wildmoser als Präsident sowie der Installation von Karl Auer als dessen Nachfolger. Und so kam es, dass die Bundesligapartie der abstiegsbedrohten Münchner gegen den SC Freiburg am Sonntagabend das sportliche Zeichen für einen Neubeginn sein sollte: das Spiel eins nach Wildmoser. Aber nach dem 1:1 fasste 1860-Trainer Falko Götz zusammen: „Wir sind keinen Schritt weiter gekommen.“ Die Mannschaft nicht und der Verein auch nicht.
Ein Punkt gegen die auswärtsschwächste Mannschaft der Liga: „zu wenig“, wie Karl Auer angesichts von nur noch zwei Punkten Abstand zu einem Abstiegsplatz befand. Die nicht einmal 20.000 Zuschauer, die gekommen waren: „zu wenig“, wie Auer abermals urteilte. Er hatte sich „dreißigtausend plus x“ erhofft, als Signal der Fans. Doch von denen ging nichts Eindeutiges aus: Für eine symbolische Ablehnung des neuen Präsidiums waren es zu viele, für ein Zeichen der Unterstützung zu wenig.
So unentschieden wie das Ergebnis gegen Freiburg und die Haltung der Anhänger ist derzeit fast alles beim TSV 1860, inklusive der Meinungen der neuen Führungskräfte. Nach der ersten Halbzeit, die schauerlich anzusehen war, hatte Vizepräsident Hans Zehetmair die Arbeit von Falko Götz kritisiert und angekündigt, demnächst „auch über diese Personalie sprechen“ zu wollen. Am Ende jedoch, nach einer deutlichen Leistungssteigerung und des Ausgleichs von Freiburgs Führungstor (Coulibaly, 10. Minute) durch Paul Agostino (58.), wiederholte Karl Auer das, was er die ganze Woche über gesagt hatte: „Ich stehe zu Götz, er kann hier weiterarbeiten.“ Der TSV 1860 München hat ja auch dringendere Personalfragen zu lösen. Momentan hat er gerade genug Leute, um den Alltagsbetrieb zu bewältigen, aber zu wenig für die perspektivischen Aufgaben: Vizepräsidenten, Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder. Am gestrigen Montagabend traf sich der Aufsichtsrat abermals, um über die Folgen des Stadion-Skandals zu diskutieren. Karl-Heinz Wildmoser junior sitzt ja wegen des Vorwurfs der Untreue und Bestechlichkeit immer noch in Untersuchungshaft, seine Posten als Geschäftsführer der Lizenzspieler-Abteilung und der Stadion GmbH sind vakant; sein Vater räumte das Chefbüro, woraufhin auch seine beiden Vizepräsidenten satzungsgemäß zurücktreten mussten; aus dem Aufsichtsrat wurden deshalb vor einer Woche Auer und Zehetmair ins Präsidium delegiert.
Seitdem wird hinter den Kulissen um Ämter und Einfluss gerangelt. Im internen Machtkampf stehen sich gegenüber: die Wildmoser-Getreuen um Auer sowie die Wildmoser-Opposition um Zehetmair. Derzeit steht es also 1:1 im Präsidium, weshalb der Berufung des zweiten Stellvertreters durch den Aufsichtsrat entscheidende Bedeutung zukommt. Welches Lager sich da durchsetzt, kann auch bestimmen, in welche Richtung es gehen wird. Bislang hat Karl Auer jede Bewegung blockiert, vor allem die Verpflichtung von Rolf Rüßmann als Technischem Direktor; die war von der Opposition schon vorbereitet.
Die hatte auch Auers Wahl zum Präsidenten zugestimmt, weil der als schwach und lenkbar galt; der Politiker Zehetmair sollte im Hintergrund die Geschicke leiten. Aber der gelernte Metzgermeister Auer hat in seiner einwöchigen Amtszeit erstaunlichen Eigensinn entwickelt. Im Stadionheft zum Freiburg-Spiel versicherte er, „jetzt nicht Schnellschüsse mit möglichst großer Öffentlichkeitswirkung abgeben“ zu wollen. Das macht auch Sinn, solange nicht geklärt ist, in welcher Liga die Fußball-Profis nächste Saison spielen und wie viel Geld somit aufs Konto kommt. Auer denkt kaufmännisch, er bevorzugt interne Lösungen bei der Besetzung der hauptamtlichen Posten, das ist billiger. Seine Gegner wollen einen radikalen Neuanfang nach der Ära Wildmoser und dafür lieber neue Leute von außen holen, offenbar um jeden Preis.
Der Machtkampf lähmt die Löwen, offenbar auch die Spieler. Aber es wird wieder Bewegung in den Klub kommen. Die Mannschaft tritt am Samstag in Frankfurt an, danach gegen Hannover – die beiden Teams, die direkt hinter ihnen liegen. Spätestens in zwei Wochen dürfte klar sein, in welche Richtung die Löwen schreiten. Und wer sie anführt.