piwik no script img

Über den Schellenkönig gelobt

Europapokal der Landesmeister: Bayern München — CSKA Sofia 4:0/ Der Armeeclub aus Bulgarien war völlig chancenlos gegen die bayrischen „Propheten des Kapitalismus“  ■ Von Werner Steigemann

München (taz) — Ein „Bierfilzl“ — hochdeutsch Bierdeckel — ist in Bayern ein Gegenstand, auf dem die geliebte Maß ruht oder der im Biergarten zum Schutze vor herabfallenden Blättern auf derselben plaziert wird. Innerhalb einer solch bescheidenen Fläche soll der in Wien geborene Däne Brian Laudrup seine Gegenspieler am Dienstag abend schwindlig gespielt haben, so die freudetrunkenen Bayernfans nach dem Spiel gegen CSKA Sofia. Es sei ihnen die maßlose Übertreibung verziehen, denn der 1,86Meter große und 80Kilogramm schwere Laudrup bewies, daß Fußball trotz dieser athletischen Voraussetzungen eine spielerische Unterhaltung sein kann. Allein seine Gegner werden sich verzweifelt fragen, ob sie das Spiel beherrschen. Meist zu mehreren versuchten sie mit Händen und Füßen, Laudrups Fußballtanz zu verhindern, allen voran die Nummer vier, der arme Stoianow, der wohl noch lange darüber nachdenken wird, was mit ihm geschah.

Ein anderer hingegen, Stefan Reuter belegte, daß das Fußballspiel vor allem ein Laufsport ist. Sich den Ball fünf Meter vorlegend, eckige Haken schlagend, überquerrte er, seine Kontrahenten staunend rechts und links neben sich lassend, die Weite des Feldes. Er durfte für seine Bayern zwei Tore erzielen und so auch zahlenmäßig zu deren Erfolg beitragen, was Laudrup verwehrt blieb. Eine Woche lang hatte der Co- Trainer der Bayern, Coordes, gewarnt, wie hervorragend die Bulgaren seien. Die jedoch lobten den FC Bayern über den Schellenkönig. Die Münchner seien der Maßstab aller Dinge, meinte Präsident Valentin Mitschow und hielt sie für die Propheten der Marktwirtschaft. Recht hat er aus seiner Sicht, der Vorsitzende des Armeesportclubs aus Sofia, sowohl in sportlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Gegen die Seinen wirkt selbst die Hertha aus Berlin wie eine Spitzenmannschaft, und er wird wohl den Hoeneß fragen müssen, wieviel Geld aus dem Verkauf der Fernsehrechte für das Rückspiel zu gewinnen ist.

Zurück zu dem Geschehen auf dem Rasen. Zwei kurze Minuten lang mußten die wenigen Zuschauer frieren, dann stand es 1:0 für die Bayern. Im folgenden stellten sich die Münchner, allen voran Effenberg, etwas stümperhaft an. Die Bulgaren kämpften aufopfernd, um sich schließlich nach dem schön herausgespielten zweiten Treffer der Bayern in ihr Schicksal zu ergeben. Olaf Thon, der anscheinend meint, da unten im Land der Bulgaren, gebe es noch keine Fernseher, schoß einen Elfmeter in dieselbe Ecke wie einst bei der WM gegen England. Der Torhüter aus Sofia, Apostolow, hielt diesen ohne größere Kraftaufwendung. Leider irrte auch der Hansi Dorfner in der ersten Hälfte auf der linken Angriffsseite umher, da ihm Thon in der Mitte im Wege stand. Nach dem Seitenwechsel durfte er sich wieder auf seiner gewohnten Position im Zentrum austoben, was erheblich zum gesteigerten Unterhaltungswert des Wettkampfes betrug. Ein Schützenfest hätte es werden können, meinten alle hinterher, aber die Bayern begnügten sich mit zwei weiteren Toren, wobei zu dem einen ein von Reuter verwandelter Elfmeter notwendig war. Das andere blieb dem Europacup-Veteranen Augenthaler vorbehalten.

„Der Kas' ist g'spritzt“, sagen die Münchner und meinen damit, der Käse sei gewürzt und gegessen, was heißt: Die Bayern sind weiter und träumen von möglichen Viertelfinalgegnern. Doch es sei gewarnt: Schon öfter stürzten die Bayern in dieser Saison unvermittelt vom hohen Roß.

Bayern München: Aumann — Augenthaler — Reuter, Kohler, Pflügler — Effenberg, Thon (46. Bender), Strunz, Dorfner — Wohlfarth (73. McInally), Laudrup

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen