: Über Nacht 438 Millionen Plus gemacht
In den Senatsberatungen wurden aus 178 Millionen quasi über Nacht 618 Millionen Euro verfügbarer Investitionsmittel – oder: Wie der Bremer Finanzsenator Ulrich Nußbaum auf sozialdemokratischen Druck hin seine Zahlen deutlich korrigierte
Bremen taz ■ Für Karoline Linnert, grüne Finanz-Expertin und Vorsitzende des Haushaltsausschusses der Bremischen Bürgerschaft, ist die Sache klar: Im Vorfeld der Haushaltsberatungen wird die Lage des Bundeslandes „schöngerechnet“.
Jüngstes Beispiel: Als auf Druck auch der finanzpolitischen Sprecherin der SPD, Cornelia Wiedemeyer, Ende März offen gelegt werden sollte, wie viel der vorgesehenen Investitions-Ausgaben für die kommenden Jahre noch frei verfügbar ist, wie viel schon im Vorgriff ausgegeben oder durch bindende Beschlüsse festgelegt ist, da stellte das Finanzressort eine Liste zusammen. Spielraum 2004: 0,0 Euro stand da. Und für die kommenden Jahre wurde zusammen dargestellt: Von den geplanten Investitionen der Jahre 2005 bis 2010, insgesamt 1,453 Milliarden Euro, können 178 Millionen als „ungebundene Mittel“ gelten, also 12,2 Prozent. Das bedeutet: Ein Spielraum für die Politiker, die in den kommenden Jahren bremische Investitionspolitik gestalten wollen, ist praktisch nicht mehr vorhanden. Vor diesem Hintergrund wollte die SPD-Fraktion jede jetzt zum Beschluss vorgelegte neue Investitionsausgabe drei Mal prüfen.
Als dann kürzlich am 2. April dieses Zahlenwerk erst dem Senat und dann dem Koalitionsausschuss offiziell vorgelegt wurde, da hatten sich die entscheidenden Zahlen über Nacht verändert: Die „ungebundenen Mittelanteile“ waren auf 618 Millionen Euro angewachsen und machten damit 42,6 Prozent aus. Im Kopf der korrigierten Tabelle stand wie bei dem ersten Entwurf dasselbe Datum: 29.3.2004.
Hintergrund der Korrektur, die die Grüne Linnert als „Trickserei“ ablehnt, ist eine interne Auseinandersetzung mit dem Rathaus. Finanzsenator Ulrich Nußbaum wurde offenbar gezwungen, das Zahlenwerk seiner Fachleute zu beschönigen. Während in der ersten Liste die „beschlossenen Projekte“ – darunter auch vom Parlament beschossene Vorhaben wie die Planungen für den Ausbau der Hochschulen – als „gebundene“ Mittel eingerechnet worden waren, wurde diese Summe in der korrigierten Fassung hinausgerechnet und nun als „ungebundene Mittel“ bezeichnet mit der Begründung, dass es sich bei diesen Ausgaben um solche „ohne verbindliche Festlegung“ handeln würde.
Politisch macht das allerdings keinen Unterschied: Wenn die Bremer Landesregierung in den kommenden sechs Jahren über mehr als 12,2 Prozent der bis dahin vorgesehenen Investitionssumme des „Anschluss-Investitions-Programmes“ (AIP) verfügen will, müssten bereits beschlossene Maßnahmen wie etwa der Bau des Klimahauses in Bremerhaven oder die Verkehrsanbindung der Überseestadt ganz gestrichen werden. Oder es wird eben auf die Gelder zugegriffen, die eigentlich in den Jahren 2011 bis 2014 für Investitionen zur Verfügung stehen sollen. Davon sind bisher nur 20 Prozent fest verplant.
Mit der Frage, ob der Bremer Haushalt verfassungskonform ist, hat die Höhe der Investitionen nichts zu tun – nur die Zinsen müssen nach geltendem Haushaltsrecht aus laufenden eigenen Einnahmen gedeckt werden. Jeder Euro, der in diesen Jahren als Investition ausgegeben wird, darf als Kredit aufgenommen werden – und das ist in der mittelfristigen Finanzplanung auch so geplant. Dass sich staatliche Investitionen rentieren und zu erhöhten Steuereinnahmen führen sollen, wird für diesen Zeitraum nicht konkret erwartet.
Klaus Wolschner