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Über Geld spricht man nicht

Solange sich noch weitere Geiseln in der Gewalt der Abu-Sayyaf-Rebellen befinden, mag sich das Auswärtige Amt nicht in die Karten gucken lassen

von SVEN HANSEN

„Ich weiß, dass unsere Mittelsmänner nahe dran sind, einen Erfolg zu erzielen“, prophezeite Manilas Chefunterhändler Roberto Aventajado am Samstag in der Stadt Zamboanga. Noch am Sonntag ging er von der Freilassung einer weiteren Geisel in den nächsten zwei Wochen aus. Doch in den vergangenen zwölf Wochen waren schon oft Hoffnungen geweckt worden. Gestern ging dann plötzlich alles ganz schnell. Aventajado flog unangekündigt in Jolo ein, bestieg ein gepanzertes Fahrzeug und fuhr in den Dschungel. Als er zurückkam, hatte er die Deutsche Renate Wallert bei sich.

Mit einem Hubschrauber wurde die 56-Jährige nach Zamboanga geflogen, wo sie ein Flugzeug nach Manila bestieg. Dort warteten bereits ein Arzt und ein Psychologe auf die Göttinger Lehrerin, die von den Strapazen der 85-tägigen Geiselhaft schwer gezeichnet ist. Noch am späten Abend flog sie mit einem Linienflugzeug nach Deutschland ab.

Wallerts Freilassung aus der Hand der separatistischen Abu-Sayyaf-Rebellen bezeichnete Aventajado als „Geste des guten Willens“. Ehemann Werner und Sohn Marc befinden sich noch mit insgesamt weiteren 36 Geiseln in der Hand der Abu Sayyaf, darunter der Spiegel-Korrespondent Andreas Lorenz.

Am 23. April waren im malaysischen Urlaubsort Sipadan 21 ausländische Touristen und einheimische Hotelangestellte von philippinischen Abu-Sayyaf-Rebellen entführt und auf die Insel Jolo verschleppt worden. Später wurden in Jolo noch der Spiegel-Korrespondent, drei französische Journalisten und 13 Mitglieder einer christlichen Sekte gekidnappt. Als im Juni die erste und am Freitag die zweite malaysische Geisel freigelassen wurde, kam Bewegung in das seit Wochen anhaltende Drama. Für die Malaysier wurden inoffiziell Lösegelder gezahlt. Aventajado räumte ein, dass die Regierungen in Manila und Kuala Lumpur im Zusammenhang mit der Geiselnahme über malaysische Entwicklungshilfe für die fast nur von Muslimen bewohnte Insel Jolo verhandeln.

Nach Angaben aus philippinischen Vermittlerkreisen wurden den Kidnappern vor der Freilassung Wallerts umgerechnet etwa 2 Millionen Mark übergeben. Die Regierung in Manila bestritt dagegen, dass Lösegeld gezahlt worden sei. Außenminister Joschka Fischer, der letzte Woche in Manila war, sagte nur: „Kein Kommentar.“ Der Asienbeauftragte der Bundesregierung, Cornelius Sommer, bestritt, dass Lösegeld gezahlt worden sei. Das Auswärtige Amt verneinte gestern einen Zusammenhang mit Fischers Reise. Es habe sich abgezeichnet, dass sich etwas bewege, weshalb Fischer ja auch nach Manila gereist sei, aber man habe nicht wissen können, dass Wallert so schnell freigelassen werde.

Beobachter in Manila gehen davon aus, dass die philippinische Regierung nicht umhinkommen wird, Lösegeld zu zahlen, das sie dann in Form von Entwicklungshilfe für die Südphilippinen ersetzt bekommt. Fischer hatte einen solchen Weg noch in Manila heftig dementiert, nachdem Vizepräsidentin Gloria Macapagal-Arroya zuvor von einer entsprechenden Offerte Fischers berichtet hatte. Solange weitere Geiseln gefangen sind, wird das AA sich nicht in die Karten schauen lassen wollen.

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