Über Feigen und Polizisten: Die neue Lust auf Zaun
Riologie
Aus Ipanema
Markus Völker
Rio riecht interessant. Leicht nach Peking und irgendwie nach Holzkohlengrill. Und dann ist da noch etwas Klebrig-Süßes. Ich habe gehört, das könnte an der salpeterhaltigen Luft liegen, vielleicht aber auch an den Ausdünstungen der petrochemischen Industrie. Die Stadt zeigt also Charakter, genauso wie mein allererster Taxifahrer in Rio, der mich zum sehr sportlichen Preis, dafür aber bestimmt in neuer Rekordzeit in mein Apartment nach Ipanema gebracht hat.
Da schlief die Stadt noch. Am Morgen besehe ich mir Rio bei Licht. Und da steht ein Feigenbaum vor meinem Zimmer. Er ist riesig. In der Ferne hat mir Christus den Rücken zugewandt. Wem ich dieses Bild auch schicke, er antwortet mit einer Prise Neid, aber die Neider kennen das Leben im olympischen Maschinenraum nicht. Immerhin, die neue U-Bahn-Linie von Ipanema in die Nähe des Olympiazentrums ist fertiggeworden, kurz vor knapp.
Die Cariocas, die Einwohner von Rio, dürfen die Bahn aber erst Mitte September nutzen. Noch sind die Wagen gespenstisch leer. Mitfahren dürfen nur Medienmenschen, Volunteers und Besitzer von Olympiatickets. Ein Siebentages-Olympiapass für die U-Bahn kostet 160 Reais, 43 Euro. Das ist viel Geld in Brasilien, wo das monatliche Durchschnittseinkommen bei 670 Euro liegt.
Das Olympiazentrum wirkt noch wie eine Mischung aus Gewerbepark und zu schnell aus dem Boden gestampftem Veranstaltungszentrum. Hunderte Kilometer Zaun versperren die Wege. Und wenn kein Zaun da ist, sagt ein Militärpolizist „não“, nein. Einfach mal so herumlaufen? Schwierig.
In Peking und Sotschi haben sie ja schon gern das Gelände umzäunt. Aber Rio hat anscheinend noch mehr Lust auf Zaun. Ganze Labyrinthe stehen da. Das ist schade, denn im Land des Oscar Niemeyer hätte man sich nicht nur gewagte architektonische Entwürfe gewünscht, sondern auch ein Olympiazentrum, das Offenheit und Menschenfreundlichkeit atmet. Aber dafür werden die Cariocas schon noch sorgen.
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