: US–Druck auf Südkoreas Diktator
■ US–Pazifikbeauftragter fliegt nach Seoul / Heute Konzessionen der Regierung Südkoreas erwartet
Seoul (afp/ap/wps) - Mit der Entsendung des Washingtoner Pazifikbeauftragten Gaston Sigur und des Abteilungsleiters für Sicherheitsfragen Edward Derwinski nach Seoul, hat die US–Regierung am Wochenende ihren Druck auf die Regierung Chun Doo Hwan in Sachen Demokratisierung erheblich verstärkt. Sigur, der am heutigen Montag in Seoul erwartet wird, genießt auch bei der Opposition eine gewisse Glaubwürdigkeit. Er hat sich bereits vor Monaten für ein demokratischeres Wahlsystem und einen zivilen Präsidenten ausgesprochen. US–Außenminister Shultz, der sich zur Zeit in Australien aufhält, hatte Chun schon am Freitag aufgefordert, „die Gespräche mit der Opposition fortzusetzen“. Nachdem Ende vergangener Woche international auf das heftigste über eine Verlegung der Olympiade von 1988 angesichts der Aufstände in Südkorea diskutiert wurde, trat die regierende Demokratische Gerechtigkeitspartei am Sonntag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, deren Ergebnis ebenfalls heute bekanntgegeben wird. Wurde am Freitag noch die Ausrufung des Kriegsrechts für möglich gehalten, so gehen Beobachter jetzt davon aus, daß die Regierung den Forderungen der Opposition und dem internationalen Druck in irgendeiner Form nachgeben wird. Im Gespräch ist eine Volksabstimmung über die Frage, wann über eine Wahlrechtsreform diskutiert wird, die Ermöglichung direkter Präsidentschaftswahlen oder die Auflösung des Parlaments und die Ausschreibung von Neuwahlen. Fortsetzung und Tagesthema auf Seite 3 Siehe auch Interview auf Seite 2 Zum ersten Mal seit Beginn der Straßenkämpfe herrschte am Sonntag in Seoul gespannnte Ruhe. Polizeieinheiten bewachten die Innenstadt, während Passanten sich langsam wieder auf die frisch aufgeräumten Schlachtfelder wagten. Protestaktionen in der Hafenstadt Pusan, in den letzten Tagen Schwerpunkt der Kämpfe, verliefen friedlich. Der Samstag zeigte erneut die in den letzten Wochen rapide voranschreitende Verbreiterung und Radikalisierung des Widerstandes gegen das Chun–Regime. In Pusan marschierten neben mehre ren tausend Studenten Arbeiter, Taxifahrer und Angehörige des öffentlichen Dienstes auf die Gebäude der Stadtverwaltung und des Staatsfernsehens zu. Zu stürmischen Szenen kam es in Seoul, als Hunderte von Oppositionellen einen Gefängniswagen blockierten, in dem fünf Polizeioffiziere zur Verhandlung über den Foltertod eines Studenten gebracht wurden. Angehörige von politischen Häftlingen forderten energisch die Herausgabe der Polizisten und prügelten sich mit den Wächtern. Andernorts drosch eine etwa Erstmals nahmen am Samstag auch buddhistische Mönche an den Demonstrationen teil. Eine Gruppe innerhalb des Klerus hatte vor dem Chongye–Tempel, etwa zwei Kilometer von der katholischen Myongdongkathedrale entfernt, zu einer Kundgebung unter dem Motto „Rettet die Nation“ aufgerufen. Etwa zehn der 40 Mio. Südkoreaner sind Buddhisten. Das große Aktionsbündnis „National Coalition for a Democratic Constitution“ hat für den heutigen Montag den Ablauf des Ultimatums für ihre vier zentralen Forderungen angekündigt, die da sind: Verfassungsreform, Freilassung der politischen Gefangenen, Rede– und Versammlungsfreiheit und ein Verbot von Tränengaseinsätzen. Andernfalls werde am kommenden Freitag der größte Protestmarsch aller Zeiten stattfinden. NB
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen