: USA: Ein liberales Land für Prediger und Sekten
Das Verhältnis von Staat und Kirche ist in den USA durch einen Verfassungsgrundsatz geregelt, nach dem der Staat eine Kirche weder privilegieren noch behindern darf. Das hielt das oberste Gericht 1892 nicht davon ab, die USA zur „christlichen Nation“ zu erklären – was jedoch ohne jede juristische Bedeutung blieb. Seit dieser Zeit ist die Religionslandschaft in God's own country vielfältiger denn je.
Es gibt gut 1.200 Religionsgemeinschaften. Dazu gehören Baptisten und Bah'ais ebenso wie Methodisten und Mormomen, Juden, Muslime, Hindus, aber auch New- Age-Sekten. Die meisten Gläubigen – 60 Millionen Menschen – sind in der römisch- katholischen Kirche organisiert. Zweitstärkste Gruppe sind die Baptisten mit fast 40 Millionen Anhängern. Die Protestanten im weitesten Sinne verteilen sich auf 30 bis 40 verschiedene Kirchen – die wiederum in Hunderte von Untergruppen zerfallen. Als Zeugen Jehovas verstehen sich in den USA 945.000 Menschen.
Kirchen bedürfen in den USA keiner Anerkennung. Im Vietnamkrieg entstanden Hunderte von Ladenkirchen, deren Gründer nichts weiter wollten, als der Einberufung zu entgehen – denn der Hinweis auf tiefe Religiosität reichte, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Kirchen sind in Amerika wie gemeinnützige Organisationen von der Steuer befreit. Die Kriterien entsprechen denen eines deutschen „e.V.“. Die „Church of Scientology“ hatte mit der Steuerbefreiung nur deshalb Schwierigkeiten, weil sie einige Mühe hatte, den amerikanischen Fiskus davon zu überzeugen, daß sie kein reines Wirtschaftsunternehmen ist. Kirchensteuer ist in Amerika ebenso unbekannt wie die Institution der „Körperschaft des öffentlichen Rechts“.
Vielen Nichtamerikanern bleibt unverständlich, weshalb auf jedem Dollarschein „In God We Trust“ („Auf Gott vertrauen wir“) steht oder daß der täglich von Millionen Kindern in staatlichen Schulen gesprochene Fahneneid („Pledge of Allegiance“) mit den Worten „One Nation Under God“ („Eine Nation unter Gott“) endet. Denn die USA verstehen sich ausdrücklich nicht als Gottesstaat. Alle Versuche, im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche die Erwähnung Gottes von den Geldscheinen zu verbannen, scheiterten am Obersten Bundesgericht. Das erklärte, daß diese Worte jede religiöse Bedeutung verloren haben. Peter Tautfest
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