US-russisches Abkommen läuft aus: Abrüstung muss warten
Das wichtigste US-russische Kontrollabkommen tritt außer Kraft. Ein Nachfolgevertrag ist weitgehend ausgehandelt. Doch es gibt Streit um die Zuständigkeiten für die Inspektion.
Letzte Nacht um Mitternacht ist der START-Vertrag über die Begrenzung weitreichender atomarer Waffen ausgelaufen. Der rechtzeitige Abschluss eines Nachfolgeabkommens bei den seit Mai in Genf geführten Verhandlungen zwischen den USA und Russland scheiterte am Streit über Verifikationsmaßnahmen.
In dem 1991 ausgehandelten und 1994 in Kraft getretenen START-Vertrag verpflichteten sich Washington und Moskau, die Zahl der strategischen Trägersysteme – das sind bodengestützte Langstreckenraketen mit Reichweiten von über 5.500 Kilometern, U-Boote sowie Fernbomber – auf jeweils 1.600 zu verringern.
Die Zahl der für diese Trägersysteme vorgesehenen atomaren Sprengköpfe sollte auf maximal 6.000 begrenzt werden. Tatsächlich haben beide Seiten ihre Sprengkopfarsenale in den letzten 15 Jahren sogar auf jeweils rund 2.200 reduziert.
Der von den Genfer Unterhändlern beider Seiten inzwischen zu 80 Prozent fertiggestellte Entwurf für ein Nachfolgeabkommen sieht eine Begrenzung der Zahl der strategischen Atomsprengköpfe auf jeweils 1.675 und der Trägersysteme auf jeweils 1.000 vor.
Doch große Differenzen bestehen weiterhin mit Blick auf die Verifikation eines künftigen Abkommens durch gegenseitige Inspektionen und technische Überwachungsinstrumente. Nach dem Auslaufen des START-Vertrages müssen die USA ihre 600 Kilometer östlich von Moskau gelegene Überwachungsstation Wotkinsk schließen, von der aus US-Rüstungsinspekteure unter anderem Tests mit neuen russischen Interkontinentalrakete vom Typ Topol-M überwachten.
Russland, das seine entsprechende Überwachungsstation in den USA bereits vor Jahren aufgegeben hat, will nur noch weit weniger intrusive Verifikations- und Kontrollmechanismen akzeptieren.
An dieser Frage könnte aber die Ratifikation des START-Nachfolgeabkommens im US-Senat scheitern. Denn für die dazu erforderliche Zweidrittelmehrheit ist die Obama-Administration auf die Stimme von mindestens sieben Republikanern angewiesen.
Deren führende Sicherheitspolitiker drohen mit der Ablehnung, sollten die Verifikationsbestimmungen schwächer ausfallen als im START-Vertrag. Sie behaupten zudem, Russland habe eine Version der Topol-M-Rakete mit mehreren selbstständig gesteuerten Sprengköpfen entwickelt und damit gegen den bisherigen Vertrag verstoßen.
Den Anstoß für Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen gab US-Präsident Barack Obama Anfang April mit seiner Prager Rede, in der er sich als erster US-Präsident seit den Atombombenabwürfen auf Hiroschima und Nagasaki im Jahr 1945 zu dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt bekannte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance