US-Raketenabwehr in Osteuropa: Polen lässt das Schutzschild zu
US-Präsident Bush zeigt sich erfreut darüber, dass Polen nun doch dem Abkommen für ein Raketenschild auf seinem Territorium zustimmt. Der Krieg im Kaukasus hat die Entscheidung vermutlich beschleunigt.

WASHINGTON/WARSCHAU afp Nach langwierigen Verhandlungen haben sich die USA und Polen auf den Aufbau des umstrittenen US-Raketenschilds in Osteuropa geeinigt. US-Präsident George W. Bush zeigte laut seiner Sprecherin "sehr erfreut" über das am Donnerstagabend in Warschau unterzeichnete vorläufige Abkommen. Moskau lehnt das US-Raketenabwehrsystem in der Nähe seiner Grenze entschieden ab. Die Einigung dürfte die durch den Georgien-Konflikt angespannten Beziehungen zwischen Russland und den USA weiter belasten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte einen für September geplanten Besuch in Warschau ab.
"Wir haben beim Thema Raketenschild eine Einigung mit den USA erzielt", sagte Tusk dem polnischen Fernsehsender TVN. Grund für den Durchbruch nach fünfzehnmonatigen Verhandlungen war laut Tusk die Zusage der USA, künftig Patriot-Luftabwehrraketen ständig in Polen zu stationieren. Polen hatte dies zur Bedingung für seine Zustimmung gemacht, weil es durch den Raketenschild zusätzliche Sicherheitsrisiken befürchtet. Nachdem die Patriot-Raketen zunächst unter dem Kommando von US-Truppen stehen würden, sollte mittelfristig auch die polnische Armee mit dem Waffensystem ausgerüstet werden.
Bushs Sprecherin Dana Perino nannte den Raketenschild am Donnerstag in Washington einen "substanziellen Beitrag für das kollektive Sicherheitssystem der NATO". Sie bekräftigte, dass sich das System nicht gegen Russland richte, sondern die europäischen Verbündeten vor Raketenangriffen aus "Schurkenstaaten" wie dem Iran schützen solle. Das Pentagon zeigte sich "außerordentlich zufrieden" über das Abkommen, das beim nächsten Besuch von US-Außenministerin Condoleezza Rice in Warschau abschließend unterzeichnet werden soll. Anschließend muss noch das polnische Parlament den Vertrag ratifizieren.
In Polen sollen den US-Plänen zufolge bis 2012 zehn Abfangraketen installiert werden. Mit Tschechien wurde bereits am 8. Juli ein Abkommen über die Stationierung einer dazu gehörigen Radaranlage unterzeichnet. Der geplante US-Raketenschild in Osteuropa richtet sich laut Washington insbesondere gegen den Iran, der trotz internationalen Drucks sein Atomprogramm fortsetzt. Russland sieht sich allerdings durch das Raketenabwehrsystem bedroht und hatte in der Vergangenheit wiederholt scharf dagegen protestiert.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte einen Besuch in Warschau ab, wie Polens Außenminister Radoslaw Sikorski kurz nach der Einigung bekannt gab. Die Absage des für September geplanten Besuchs sei von russischer Seite jedoch bereits vor der Einigung mitgeteilt worden, sagte Sikorski. Demnach sollte Lawrow am 10. und 11. September nach Polen reisen.
Unklar war zunächst, welche Rolle der militärische Konflikt zwischen Russland und Georgien um die abtrünnige Provinz Südossetien bei der Einigung gespielt hat. Sikorski machte die "neue internationale Situation" für den Durchbruch bei den Verhandlungen mitverantwortlich. Pentagon-Sprecher Geoff Morrell sagte dagegen, es gebe keine Anzeichen für einen derartigen Zusammenhang. Der polnische Staatschef Lech Kaczynski war nach Ausbruch der Kämpfe zu einem Solidaritätsbesuch nach Georgien gereist. Die USA stehen in dem Konflikt ebenfalls auf der Seite von Tiflis und setzen sich massiv für eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens ein.
gw
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