US-Präsidentschaftswahlen: Der Tag, an dem Trump gewann
Der Tag von Donald Trumps Sieg war einer der ruhigsten Wahltage der jüngeren US-Politik – und hatte trotzdem eine Dynamik, auf die kaum jemand vorbereitet war.
Dabei hatte die Nacht die umgekehrte Dynamik genommen als vor vier Jahren. Damals hatte Trump nach Auszählung eines Gutteils der am Wahltag abgegebenen Wahlzettel deutlich vorne gelegen und bei einem schnellen Auftritt vor Anhänger*innen schon deutlich vor Mitternacht seinen Sieg erklärt. Als sich dann in den Swing States mit der Auszählung der Briefwahlstimmen der Trend umdrehte, beklagte Trump Betrug. Nach Neuauszählungen im entscheidenden Swing State Pennsylvania dauerte es vier Tage, bis Joe Biden als Sieger feststand. Trump begann seinen Kreuzzug gegen das Wahlergebnis, der im Sturm aufs Kapitol endete.
Das Phänomen eines frühen republikanischen Vorsprungs, der vom Endergebnis abweicht, verursacht durch viele demokratische Briefwahlstimmen oder die verzögerte Auszählung in urbanen Zentren, erhielt den Fachbegriff Red Mirage, gefolgt von einem Blue Shift.
Diesmal war es anders. In Pennsylvania, Michigan und aufgrund der Zeitverschiebung später auch in Wisconsin zeigte sich diesmal eine frühe Führung für Kamala Harris. Ein Sieg in den drei Staaten der ehemaligen Blue Wall hätte der Vizepräsidentin gereicht, um ihrerseits auf die benötigten 270 Stimmen im Wahlleutegremium zu kommen und am 20. Januar 2025 zur Präsidentin vereidigt zu werden. Und selbst in North Carolina und Georgia hatte Harris zunächst eine frühe Führung inne. Es war eine Blue Mirage, gefolgt von einem Red Shift.
5 Millionen Stimmen mehr
So wie es bis nachmittags aussah, konnte Harris keinen einzigen der sieben Swing States gewinnen. Die Demokrat*innen verloren auch die Mehrheit im Senat und bleiben womöglich auch im Repräsentantenhaus in der Minderheit. Außerdem hat Donald Trump als erster republikanischer Kandidat seit George W. Bush 2004 auch das popular vote gewonnen, also die im US-Wahlsystem nicht entscheidende Mehrheit aller im Land abgegebenen Stimmen. Trump erhielt rund 5 Millionen Stimmen mehr als Kamala Harris.
Es war Trumps Lieblingssender Fox News, der als Erster erklärte, Donald Trump werde der 47. Präsident der USA sein. Die anderen Fernsehsender hielten sich zu diesem Zeitpunkt noch mit Rechenspielen auf, wie Harris vielleicht doch noch die notwendigen Stimmen in Pennsylvania, Michigan und Wisconsin zusammenbekommen könnte. Es war aussichtslos.
Kurz nach 2 Uhr nachts, die Gäste der in der Howard University vorbereiteten Harris-Party waren längst nach Hause gegangen, trat Trump in Florida vor seine Anhänger, umringt von seiner Familie und seinen Getreuen, seiner öffentlichkeitsscheuen Chefstrategin Susie Wiles, seinem Vizekandidaten J. D. Vance, seinem designierten Gesundheitsbeauftragten und Impfschwurbler Robert F. Kennedy, Ultimate-Fighting-Championship-Chef Dana White und anderen.
Für Trumps Verhältnisse hielt er in der Wahlnacht eine wenig aggressive Siegesrede. Er versprach vor seinen Unterstützer*innen jeden Tag für die Rückkehr eines „goldenen Zeitalters für Amerika“ zu kämpfen. Amerika habe ihm ein „beispielloses und kraftvolles Mandat“ erteilt. J. D. Vance sprach von einem beispiellosen politischen Comeback, dem nunmehr ein ebenso beispielloses wirtschaftliches Comeback folgen werde.
Mit Trumps klarem Sieg sind zumindest vorerst alle Sorgen vom Tisch, dass seine Anhänger*innen bei einer Niederlage erneut Unruhen anzetteln könnten. Bis auf kleinere Verzögerungen in Georgia aufgrund von falschen Bombendrohungen und in Pennsylvania wegen früher Probleme mit einigen Wahlmaschinen verliefen Wahltag und Auszählung so ruhig wie seit Jahren nicht.
Die unterlegene Kamala Harris verzichtete in der Nacht auf einen Auftritt auf der Wahlparty ihrer Partei in Washington. Sie wollte sich erst im Laufe des Mittwochs zum Wahlergebnis äußern, ließ ihr Team verlauten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin