US-PRÄSIDENT CLINTON EMPFING DEN DEUTSCHEN MEDIENPREIS: Der Duft der Macht
Stefan Aust, Spiegel-Chef, Manfred Bissinger, Woche-Chef, Kai Diekmann, Welt am Sonntag-Chef, Mathias Döpfner, Welt-Chef ... – sie alle sind glückliche Menschen. Sie alle durften gestern die Hand des mächtigsten Mannes der Welt schütteln. Sie alle durften nach Washington reisen, um Bill Clinton im Oval Office den Deutschen Medienpreis zu überreichen. Sie alle schnuppern heute in einer heimlichen Sekunde ihre rechte Hand ab, ob der Duft der Macht noch immer ihre Haut liebkost.
Wieso kriegt ein US-Präsident einen deutschen Medienpreis, und dazu noch an so einem verfänglichen Tatort? Für die Förderung von Oval Sex und außerehelicher Auflagensteigerung? Was eine blöde Frage! Der Deutsche Medienpreis ist nur die Spitze des Medaillenberges. Wichtigmänner verleihen Preise an Wichtigmänner, damit Wichtigmänner wuchtige Worte wechseln und wertvolle Wänste weihevoll wabbeln. So ist es beim Deutschen Medienpreis, der vor Clinton die stattliche Brust des Dr. Helmut Kohl und das bunte Hemd von Nelson Mandela zierte. Und beim Karlspreis, der erst im Juni in Aachen als goldschweres Teil den Nacken des US-Präsidenten beschwerte und zuvor an die Figuren Tony Blair, Franz Vranitzky und Karl Carstens gehängt wurde.
Diese Preise wurden erfunden, damit Politiker sich was Nettes schenken können. Eine uralte Sitte übrigens, die bei Indianern und anderen eingeborenen Völkern unter dem Namen „Potlach“ bekannt wurde. Bei den Waldläufern von Korossos etwa werden hunderte von Gästen zum Potlachfest geladen, wobei die Häuptlinge verfeindeter Stämme Vorrang genießen. Der Sinn des Festes liegt darin, Häuptlinge, Feinde und andere Wichtigmänner aller Art möglichst doll zu beschämen, indem man ihnen die größten und schönsten Geschenke macht. Besonders beliebt sind dabei extrem schwere oder sonstwie unbrauchbare Geschenke, die den beschenkten Feinden das Leben im Wald von Korossos so schwer wie möglich machen.
Gewichtig, unhandlich und hässlich – das sind auch heute noch die wichtigsten Kriterien für die Gestaltung von Medaillen. UTE SCHEUB
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