US-Militärstratege erklärt Mittleren Osten: Lupe auf den Iran
Frederick Kagan, rechter US-Militärstratege, spricht in Berlin über den Iran, Pakistan und die Entwicklung im Irak
BERLIN taz Der Mittlere Osten hat sich nach Westen verschoben, und im Zentrum des regionalen Konflikts stehen nicht mehr Israel/Palästina, sondern der Iran und Pakistan. Das jedenfalls ist die Ansicht von Frederick W. Kagan, einem der einflussreichsten Militärstrategen Washingtons, der am Dienstagabend in der American Academy in Berlin zu Vortrag und Diskussion geladen war. Im Publikum: Exaußenminister Joschka Fischer.
Der Iran begreife sich selbst als neue Hegemonialmacht der Region, und das iranische Atomprogramm sei Ausdruck davon. Die iranische Außenpolitik bestehe in einer "kontrollierten Instabilität": Die mit dem Iran verbündeten Gruppierungen etwa im Irak und dem Libanon seien jederzeit in der Lage, die Situation eskalieren zu lassen oder auch wieder zu beruhigen. Für den Umgang mit dem Iran empfiehlt Kagan ein abgestimmtes echtes Containment, lehnt einen Krieg aber ab.
Das Hauptproblem Pakistans hingegen sei, dass die Zentralregierung gar nicht die Kontrolle über das gesamte pakistanische Territorium habe und die Terrororganisation al-Qaida vor allem in den pakistanischen Stammesgebieten über einen Rückzugsort verfüge. Eine Lösung aber habe er nicht anzubieten.
Im Irak zeige die Truppenerhöhung deutliche Erfolge. Durch die Bereitschaft der Maliki-Regierung, gemeinsam mit den USA gegen die mächtigen schiitischen Milizen vorzugehen, sei insbesondere der Milizenführer Muktada al-Sadr in das Dilemma geraten, entweder die offene Konfrontation zu wählen und dadurch jegliche Beteiligung an der schiitisch dominierten Regierung aufzugeben oder aber seine Miliz ruhig halten zu müssen. Die US-Truppenpräsenz sei jedoch weiterhin nötig, um diese Erfolge zu stabilisieren.
Exaußenminister Fischer widersprach Kagan heftig. Erst die USA hätten die Region so destabilisiert, dass der Iran in die derzeitige Position gekommen sei, so Fischer. Die fortdauernde Präsenz der USA im Irak sei ein Gottesgeschenk für den Iran und Syrien, die Niederlage al-Qaidas eher deren eigener verfehlter Politik im Irak zuzuschreiben. Die USA müssten mit einem Abzug aus dem Irak Druck auf die Iraker und die Region ausüben. Nach einem Regierungswechsel in den USA müsse es zu einer neuen gemeinsamen Strategiedebatte für die Region kommen.
BERND PICKERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels