US-Militär sperrt Deutschen in Kabul ein: Er wollte nur einen Rasierer kaufen
Gholam Z. sitzt seit drei Monaten unter Terrorverdacht in einem US-Gefängnis bei Kabul. Der afghanischstämmige Wuppertaler ist völlig unschuldig. Das genügt aber nicht.
Seit mehr als drei Monaten hält das US-Militär einen offenbar geistig verwirrten Deutschen auf einer Luftwaffenbasis im afghanischen Bagram fest. Das Auswärtige Amt bestätigte entsprechende Medienberichte. "Ihm wird vorgeworfen, sich unerlaubt auf einem amerikanischen Stützpunkt aufgehalten zu haben", sagte ein Sprecher der taz.
Bei dem Gefangenen soll es sich um den 41-jährigen Gholam Z. aus Wuppertal handeln. Der deutsche Staatsbürger ist afghanischer Herkunft. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel reiste er im Januar nach Afghanistan, um Verwandte zu besuchen. In einem Supermarkt auf dem Gelände eines US-Militärcamps in Kabul wollte er unter anderem einen Rasierapparat kaufen - und wurde festgenommen. Er hatte Bargeld verschiedener Währungen und Telefonkarten mehrerer Länder dabei. Das reichte den US-Militärs offenbar, um in Z. einen Terrorverdächtigen zu sehen.
Wie das Magazin weiter schreibt, besuchten Beamte des Bundesnachrichtendienstes Gholam Z. im Gefängnis in Bagram, während der Verfassungsschutz in Köln seinen Hintergrund durchleuchtete. Das Fazit: Der Mann sei "total sauber". Auf Nachfrage wollte der Verfassungsschutz dies jedoch weder bestätigen noch dementieren.
Zusätzliche Brisanz erhält der Fall dadurch, dass es sich bei Gholam Z. um eine "medizinisch auffällige, verwirrte Person" handelt, wie die Nachrichtenagentur AP aus Sicherheitskreisen erfuhr. Er sei "zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen".
"Warum lässt sich die Bundesregierung das von den USA gefallen?", fragt Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele im taz-Gespräch. Er verlangt von den USA, Z. sofort freizulassen. Von der Bundesregierung fordert Ströbele einen "sofortigen und umfassenden Bericht": Wie kam es zur Festnahme? Wie intensiv bemühen sich die deutschen Behörden um eine Freilassung? Waren die Geheimdienste beteiligt?
In der Regierung ist man derweil bemüht, gar nicht erst den Verdacht der Untätigkeit aufkommen zu lassen. "Wir bemühen uns gegenüber der amerikanischen Regierung um Freilassung", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die deutsche Botschaft betreue den Gefangenen. Bei Steinmeier dürfte die Sorge vor einem zweiten "Fall Kurnaz" besonders groß sein. Der Bremer Murat Kurnaz war von US-Militärs viereinhalb Jahre grundlos festgehalten worden, unter anderem im Gefangenenlager Guantánamo. Als Kanzleramtschef stimmte Steinmeier 2002 zu, dem türkischen Staatsbürger Kurnaz zunächst die Rückkehr nach Deutschland zu verweigern.
Eine Freilassung von Gholam Z. knüpfen die US-Behörden nach Spiegel-Angaben bisher an "umfassende Sicherheitsgarantien", was einer Komplettüberwachung des Wuppertalers gleichkäme. Eine solche Garantie ist die Regierung offenbar nicht bereit abzugeben. Das sei rechtlich auch gar nicht möglich, sagte Ströbele. "Man kann jemanden, gegen den nichts vorliegt, nicht rund um die Uhr überwachen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück