US-Magazin "Wired" auf Deutsch: Nett, bunt und ohne Konkurrenz
Das US-Kultmagazin "Wired" erscheint erstmals auf Deutsch. Ein Heft für Geeks, das dem Männermagazin "GQ" beiliegt. Vor allem die iPad-App überzeugt.
Wired? Das ist englisch und bedeutet "verkabelt", nicht etwa "verrückt", das ist "weird". Wired ist aber auch der Titel des Magazins, welches ab heute in der deutschen Version erhältlich ist. Ursprünglich ist es ein US-Kultmagazin, das zu einer ganz und gar verkabelten Zeit, 1993, gegründet wurde.
1998, als der Verlag Condé Nast das Magazin als elektronisches Spielzeug in seinen Stall holte, gab es schon einige Handys. Und 2004, als Chefredakteur Chris Anderson die Long-Tail-Theorie über die Möglichkeiten des Erfolges in der Nische popularisierte, waren Kabel für die Datenübertragung schon nicht mehr so wichtig.
Damit ist man in 2011 und die Geschichte des Themenfelds der Wired-Magazin-Familie in Italien, Großbritannien, Japan und Deutschland aufgerissen: das digitale Leben. Und das ist ja eigentlich alles und überall und jederzeit. Sieht so ein Nischenprodukt aus?
Aufgeräumt im besten Sinne
Thomas Knüwer, 41, lädt zur Beantwortung in seine Düsseldorfer Unternehmensberatung ein. Bis 2009 war Knüwer beim Handelsblatt, zuletzt als Reporter. Jetzt berät, bloggt und twittert er für seinen Lebensunterhalt. Das geht wohl so gut, dass er gefragt wurde, ob er Chefredakteur der Wired-Entwicklungsredaktion werden wollte.
Traf sich gut, Abonnent der US-Wired war er schon, vertraut mit Netzthemen auch, bleibt die Nischenfrage: "Wired Deutschland ist kein Nischenblatt, sondern eines, das größere Bevölkerungsschichten anspricht", so Knüwer und legt noch einen drauf: "Ich glaube, egal welcher Deutsche sich diese Wired-Ausgabe nimmt, er wird einen substanziellen Teil der Seiten interessant finden." Dass es viele Deutsche sein werden, dafür ist gesorgt. Wired liegt erst mal dem Männermagazin GQ bei, ab Oktober dann kann man sie einzeln kaufen.
Wenn die rund 160.000 GQ-Deutschen nun zufällig die knallgelbe Nummer 1 mit schwarz-rot-goldenem Rücken in die Hand nehmen, werden sie dasselbe wie bei der US-Ausgabe fühlen. Leicht angerautes, nicht allzu dickes Papier für das Cover, dünneres, nicht allzu glänzendes Papier drinnen, alles einen Tick kleiner als ein A4-Blatt. Das Layout hingegen ist, welch Glück, nur leicht ans Original angelehnt, nicht so zerfasert-fusselig, sondern aufgeräumt im besten Sinne, mit wohldosiertem Weißraum und einleuchtender Leserführung.
Verwandter von Onkel Apple
Knüwer wirft den Vergleichsbrocken brandeins in den Raum. Die Fotos fallen nicht negativ auf, anders als das etwas aggressive Product Placement. Das aber, das muss man mit Blick auf den eigenen Technofuhrpark zugeben, ein wohl nicht wegzudiskutierender Teil des digitalen Lebens ist. Wired ist darin ein publizistischer Verwandter des schillernden Onkels Apple, die ct vom schlauen, aber spröden Cousin Linux-Thinkpads.
Das neue Magazin ist aber auch wieder einmal ein Beleg dafür, dass es in Deutschland offenbar zu jeder Zeit rund ein Dutzend sehr guter und frei verfügbarer Journalisten gibt, die ein Heft in zehn Wochen entwickeln - gemeinsam mit erstklassigen Art Directors wie Marcus Rindermann. Ihm und seinem Team wird das Verdienst zukommen, dass die iPad-App zum Heft selbst Papierfetischisten mehr als Respekt, nämlich: Zweifel abnötigen wird. Zweifel an Print.
Wie die App den erweiterten Unterzeilen der Bilder von Begrüßungsrobotern in einer spanischen Bank und eines twitternden Baums Leben einhaucht, das ist beeindruckend. Und man fragt sich kurz, wieso nicht alle Tablet-PCs besitzen und darauf ihre Zeitungen und Magazine lesen. Die Antwort ist einfach: weil nicht alle Menschen Geeks sind.
Was das ist, wisse aber kaum einer in Deutschland, sagt Thomas Knüwer. Also erklärt er es auf Seite 62, Wired soll ja ein Heft für Geeks sein. Geeks sind "Menschen, die sich für neue Ideen begeistern, neues Denken begeistern. Deren Leidenschaft uns mitreißt. Ein Geek für Deutschland - das wäre eine Idee. Oder auch mehrere." Auch ein Verleger kann ein Geek sein.
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