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US-Gesetzentwurf gegen Open AccessWissenschaft soll teuer bleiben

Die freie Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse im Internet könnte drastisch eingeschränkt werden. Ein Gesetzentwurf dazu liegt dem US-Repräsentantenhaus vor.

Ausschnitt des Elsevier-Firmenlogos. Der Verlag nimmt für Jahresabos zum Teil saftige Preise – beispielsweise 18.119 Euro für das Chemie-Magazin "Tetrahedron". Bild: archiv

Ein Gesetzentwurf der Demokratin Carolyn Maloney und des Republikaners Darrell Issa führt zurzeit zu heftigen Debatten in der US-Wissenschaftsgemeinde. Der Research Works Act würde es öffentlichen Institutionen in den USA verbieten, Richtlinien für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen im Internet vorzusehen.

Es ist ein Angriff auf die bisherige Praxis der National Institutes of Health (NIH). Die US-Gesundheitsbehörde verlangt, dass alle von ihr geförderten Studien nach spätestens einem Jahr der Öffentlichkeit auf der Internetplattform PubMed zur Verfügung gestellt werden.

Viele Wissenschaftler sind Verfechter der Idee des Open Access, was bedeutet, dass Forschungsergebnisse, Studien und Fachartikel im Internet kostenfrei verfügbar sind. Die Idee, dass der freie Austausch von Informationen zum Kern des Wissenschaftsgedankens gehört, findet jedoch wenig Freunde bei den wissenschaftlichen Fachverlagen. Diese sehen ihr Geschäftsmodell gefährdet.

Freie Publikationen

PubMed: Mit 2,3 Millionen Aufsätzen ist PubMed die größte Datenbank für medizinische Fachartikel im Netz. Sämtliche in den USA staatlich geförderten Publikationen müssen ein Jahr nach Veröffentlichung in PubMed verfügbar sein.

Public Library of Science (PLoS): Die Plattform wurde von den Open Access-Verfechtern Michael Eisen und Patrick Brown gegründet. PLoS beherbergt mehrere Fachjournale zu medizinischen und biologischen Themen.

Directory of Open Access Journals: Die Webseite bietet einen Überblick über verfügbare Open-Access-Zeitschriften.

arXiv: Die Webseite arXiv ist das größte im Netz verfügbare Archiv sogenannter Preprints. Dabei handelt es sich um Artikel vor ihrer Publikation in einem Fachjournal. Die bei arXiv veröffentlichten Publikationen unterliegen somit keiner Peer Review.

open-access.net: Die Webseite open-access.net bietet deutschsprachige Informationen zum Thema Open Access.

Die Richtlinie der National Institutes of Health war einer der größten Erfolge der Open-Access-Bewegung. Vom Steuerzahler geförderte Forschung solle allen kostenlos zur Verfügung stehen, so die Forderung. Die Richtlinie war letztendlich ein Kompromiss. Für zwölf Monate bleibt den Fachmagazinen die Möglichkeit, mit den publizierten Artikeln Geld zu verdienen. Mit dem Research Works Act wird nun versucht, Richtlinien wie diese zu verbieten.

Dubiose Spenden vom Fachverlag

Michael Eisen, Evolutionsbiologe und einer der engagiertesten Befürworter von Open Access, sieht den Fachverlag Elsevier hinter dem Gesetzentwurf. Elsevier hat seinen Sitz im Wahlkreis von Carolyn Maloney. Der Verlag hat die demokratische Repräsentantin in der Vergangenheit vielfach mit Spenden bedacht. Eisen betont, dass von der NIH-Regelung vor allem Patienten und Selbsthilfegruppen profitieren, die somit direkten Zugriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse der Medizin haben.

Der Research Works Act ist nicht der erste Vorstoß dieser Art. Bereits 2008, kurz nachdem die Gesundheitsbehörde ihre Richtlinie veröffentlicht hatte, wurde ein vergleichbarer Gesetzentwurf im Repräsentantenhaus diskutiert. Dieser wurde jedoch nie verabschiedet.

Forschungsergebnisse werden üblicherweise in wissenschaftlichen Fachmagazinen veröffentlicht, die einer sogenannten Peer Review unterliegen. Jeder Artikel wird vor der Veröffentlichung auf Korrektheit oder offensichtliche Fehler überprüft. Peer Review gilt als die tragende Säule seriöser Wissenschaft.

Die Reviewer selbst sind meist andere Wissenschaftler, die an Universitäten arbeiten und somit nicht von den Verlagen, sondern von der Allgemeinheit bezahlt werden. Die Aufgabe der Fachjournale besteht alleine darin, die Review zu organisieren. Die Fachverlage lassen sich oft fürstlich für ihre Arbeit bezahlen. Preise zwischen 15 und 30 Dollar für das Lesen eines einzelnen Artikels sind nicht ungewöhnlich, Universitätsbibliotheken zahlen viel für Abos der Fachzeitschriften.

Viele Wissenschaftler sind selbst wenig glücklich mit der Praxis der Fachverlage. Sie würden es gerne sehen, wenn ihre Forschung mehr Menschen zugänglich ist. Meist ist es ihnen jedoch nicht einmal erlaubt, ihre bereits veröffentlichten eigenen Artikel auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Die mit den Fachverlagen geschlossenen Verträge schließen das oftmals aus.

Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich daher Open-Access-Publikationen, die von vornherein nur auf die frei zugängliche Veröffentlichung im Internet setzen. Die Zahl der Open-Access-Journale mit Peer Review nimmt zu und Forschung gilt keineswegs als weniger wert, wenn sie in einer solchen Publikation veröffentlicht wurde.

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7 Kommentare

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  • A
    AHW

    Ich muss Moderner Forscher Recht geben bzgl. der Tatsache, was PubMed eigentlich ist und auch dass viele OA-Verleger Autorengebühren verlangen. Allerdings ist das nicht die Regel! Es gibt auch Non-OA-Verleger, die sowohl Geld von Autoren UND Lesern verlangen. Und es gibt ebenso auch OA-Journals die ihre Autoren auch noch was bezahlen wenn sie Texte einreichen (zB das deutsche Ärzteblatt).

     

    Der Ansatz ist sehr vernünftig, dass das Verlegen von Artikeln nicht umsonst ist, aber diese Fachzeitschriften werden von Wissenschaftlern genutzt und von ihnen auch mit Inhalt gefüttert und sogar durch das Peer-Review wird durch Forscher kostenlos beigesteuert. Kommerzielle Herausgeber entziehen diesem Finanzstrom das Kapital. Da sie für sich selbst viele zu hohe Gelder fordern. Wenn die Wissenschaft (bzw. die Institutionen und Universitäten) alles selbst übernimmt, was das Verlegen betrifft, dann bleibt mehr Kapital in der Wissenschaft und muss vom Steuerzahler nicht wieder in den Kreislauf hineingepumpt werden. So besagen neuste Studien dass allein in England 28 Mio Pfund (nicht Euro) durch eine Umstellung auf das OA-Verlagswesen gespart werden könnten. wenn das nicht ein Grund für OA ist, dann weiß ich es auch nicht.

  • P
    pseudoruprecht

    "Elsevier hat seinen Sitz im Wahlkreis von Carolyn Maloney. Der Verlag hat die demokratische Repräsentantin in der Vergangenheit vielfach mit Spenden bedacht."

     

    Genau so könnte es als Beispiel in L. Lessigs "Republic, lost" stehen. Lektüre wärmstens empfohlen!

  • UH
    Ulf-Peter Hansen

    Der Staat zahlt ca. 50000 Euro (Gebäude, Personal,

    Sachmittel), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)ca.50000 bis 100000 (oder mehr) Euro, der Autor zahlt einige Tausend Euro Page Charge für ein wissenschaftliches Paper. Die Peer Reviewer hauen aus Idealismus unentgeldlich ihr Wochenende für den review in die Pfanne. Nur eine Partei tut so gut wie gar nichts: der Verlag. Somit dürfte ein Paper zu drucken wesentlich weniger kosten aus ein Exemplar der taz (keine Informationsbeschaffung, alles wird druckfertig geliefert)

    Aber der Verlag beansprucht alle Rechte. Der Autor darf sein Werk gedruckt nur sehen, wenn er (oder seine UB)die Zeitschrift abonniert. Vom Schutz der Autorenrechte hier zu sprechen, ist perfider, abgrundtiefer Hohn. Der Autor hat null Rechte. Für den Autor gibt es nur einen Lohn, nämlich den, dass viele seine Arbeit lesen und zitieren. Das ist der fast einzige Schlüssel für seine Karriere (Publish or perish.

    Die Verlage drängen in die Rolle von Fürstentümern, selber nichts tun, aber das Recht beanspruchen, sich an der Arbeit anderer zu bereichern.

    Die DFG sollte das Publikationswesen übernehmen und die Verlage aushungern. Es wäre billiger für die DFG.

  • F
    Facepalm

    Na, da passt ja diese Meldung hevorragend dazu:

    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Europaeische-Union-unterzeichnet-ACTA-1422621.html

     

    Immer wieder schön zu sehen, wie zugunsten einzelner Lobbygruppen, Politiker Abkommen unterzeichen, oder Gesetzesinitiativen starten (SOPA etc.) und damit massive Konsequenzen für das einfache Wahlvieh ... äh Wahlvolk in Kauf nehmen. Freier Wissenaustausch zugunsten des Gemeinwohls hat gefälligst hinter wirtschaftliche Interessen eines Verlages zurückzutreten.....

    Ein Schelm wer an schwarze Köfferchen denkt.

  • MF
    Moderner Forscher

    Ich möchte 2 kleine, aber nicht ganz unwichtige Ergänzungen zum Artikel machen. 1. PubMed ist zuerst einmal ein Index-Server, auf dem man Titel und Kurzzusammenfassung von allen Artikeln von praktisch allen relevanten Journalen auf dem Gebiet der Life-Sciences suchen kann. Von dort aus gibt es Links zu den vollständigen Artikeln, auf die man je nach Abo-Lage zugreifen kann oder auch nicht. Wenn ich keinen Zugriff haben sollte, kann ich mir den Artikel ohne weitere Kosten über den Bibliothekenverbund in Deutschland ganz legal innerhalb von wenigen Tagen besorgen. 2. Open-Access ist durchaus nicht kostenlos. Hier zahlt nicht der Leser, sondern der Autor (üblicherweise so 300-600 Dollar pro Artikel). Dadurch kehrt sich die Interessenlage der Verlage um: hier zählen nicht die Interessen der Leser, sondern die des Autors. So gibt es neben unzweifelhaft seriösen Open-Access Journalen auch einen Wildwuchs an Medien (meist beheimatet in Schwellenländern wie Indien), die ein Forum für richtigen Mist, Doppelveröffendlichung/Plagiate und irrelevante Resteforschung bieten. Leider ist Open-Access auch nicht der gerade Weg zum Glück, auch das Peer-Review System kann da nur begrenzt was retten. Langfristig hilft nur, wie schon immer, kritisches Lesen und seriöses Publizieren.

  • W
    Wissenschaftler

    Hier zeigt sich wieder einmal daß die größte Bedrohung von der Content-Mafia ausgeht.

    Nicht die sog. "Raubkopierer", sondern die Verlage und Verwertungs-Kartelle stehlen das so. "Geistige Eigentum", und sie machen sich auch noch der Hehlerei damit schuldig.

  • A
    alcibiades

    Es wird wirklich höchste Zeit, die Infrastruktur des Netzes in Europa zu spiegeln. Wenn es in USA so leicht ist, sich ein Gesetz zu kaufen...