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US-Autobosse vor KongressFahrt nach Canossa

Die großen drei akzeptieren den großen Bruder: Die US-Autobauer GM, Ford und Chrysler wollen etliche Zugeständnisse machen, solange die Regierung sie nur rettet.

Anreise im Hybrid-Auto statt im Firmenjet: General Motors-Chef Richard Wagoner. Bild: dpa

BERLIN taz Dieses Mal kamen die Vorstandschefs von General Motors, Ford und Chrysler ganz unauffällig in Hybridfahrzeugen nach Washington. Ihre Hoffnung: die Regierung durch diese öffentliche Zurschaustellung ihrer Bescheidenheit von einem Kredit über insgesamt 34 Milliarden US-Dollar für die drei Konzerne zu überzeugen.

"Sind Sie selbst gefahren, oder hatten Sie einen Chauffeur?", fragte der republikanische Senator Richard Shelby während der Senatsanhörung am Donnerstag jedoch süffisant. Damit machte er klar, dass keineswegs vergessen ist, dass die Autochefs zu ihrem letzten Bittbesuch vor zwei Wochen mit Privatjets anreisten. An diese Kleinlichkeit sollten sich die großen drei besser gewöhnen: Jede staatliche Unterstützung ihrer Konzerne wäre mit strengster Überwachung verbunden.

GM und Chrysler sind bereit, einen hohen Preis für das Geld zu zahlen, das sie nach eigenen Angaben sofort benötigen. GM-Chef Rick Wagoner und Chrysler-Chef Bob Nardelli sagten, sie würden ihre Firmen auch fusionieren, wenn das die Bedingung wäre. Alle drei Chefs stimmten der Oberaufsicht durch einen Regierungsausschuss oder einen Treuhänder zu, der große Verträge und Geschäftsentscheidungen bestätigen oder ablehnen müsste. Die Privatjets sollen verkauft, die Gehälter der Chefs auf einen Dollar gekürzt und in den Werken Tausende Stellen abgebaut sowie Gehälter, Krankenversicherung und Rente weiter reduziert werden.

GM-Chef Wagoner appellierte an das Mitgefühl der Politiker. Sein Unternehmen sei auch nur ein Opfer der Finanzkrise. "Wir sind hier, weil Entwicklungen außerhalb unserer Kontrolle uns an den Rand des Abgrunds gedrängt haben", sagte er.

In der Bevölkerung ist ein neues Rettungspaket sehr unbeliebt. Zu lange musste sie sich schon mit der Misswirtschaft in Detroit herumschlagen, immer neue Rettungsversuche haben sie erschöpft. In einer am Donnerstag veröffentlichten CNN-Umfrage sprachen sich 61 Prozent der Befragten gegen Hilfen für die Konzerne aus

Wagoner sagte, er gehe davon aus, dass sein Unternehmen nach einer Geldspritze von 12 Milliarden US-Dollar in der Lage wäre, den Kredit ab 2011 bis Ende 2012 zurückzuzahlen. Analysten sind da skeptisch. Ökonom Mark Zandi von Moodys, der eine Rettung unterstützt, sagte, Detroit brauche insgesamt 125 Milliarden US-Dollar, um den Zusammenbruch zu vermeiden.

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2 Kommentare

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  • MF
    Mr. Füsch

    :-))

     

    Schöner, in letzte Konsequenz ausgearbeiteter Vergleich.

     

    Mal sehen, ob dieser Gang nach Washington ebenso ein sprichwörtliches historisches Ereignis wird wie sein mittelalterlicher Vorfahre. Da ich nicht glaube, dass ein Meinungsumschwung bei den Autobossen geschieht, glaube ich auch dieses leider nicht.

     

    Wie sollen das die Historiker der Zukunft eigentlich nennen, wenn der Staat nur noch als Notfallgarant einer sich selbst um Kopf und Kragen spielenden Wirtschaft auftritt, um die Konsequenzen schlechten wirtschaftlichen Handelns abzufedern? "Kapitalsozialismus"?

     

    Fragt sich,

     

    Mr. Füsch

  • A
    anke

    Die Zeiten sind andere heute. Man hat die Herren weder dazu gezwungen, zu Fuß über die Alpen zu kommen, noch mussten sie eine Umweg über Burgund nehmen. Es hieß auch nie, man dürfe ihnen nicht länger Gefolgschaft leisten, wenn einem das eigene Seelenheil lieb sei. Weder das Heiraten noch die Krankensalbung wurde ihnen verwehrt und drei Tage lang barfüßig im Hemd vorm Kongress stehen mussten sie auch nicht. Es hätte diese Übung immerhin in die Jahreszeit gepasst. Schade eigentlich, aber das nennt man wohl Fortschritt. Inzwischen wurden die Menschenrechte erfunden, und die gelten selbst für Räuber, Betrüger und Erpresser – wenn auch nicht in allen fünfzig US-Bundesstaaten.

     

    Sie kamen also im Auto, die Herren Chefs, aber sie kamen doch, um ihre (überaus leichtfertig verspielte) finanzielle Handlungsfähigkeit zurück zu erbitten. So weit passt der Vergleich schon. Mal sehen, wie es für die Großkonzerne weiter geht. Heinrich IV hat der Bußgang seinerzeit kaum genutzt. Keine drei Monate nach Canossa setzte man ihm einen Konkurrenten vor die Nase. Von da an war es vorbei mit der Alleinherrschaft. Knapp drei Jahre später wurde er erneut gebannt, vermutlich weil seine Abbitte pure Zeitschinderei gewesen ist und er rein gar nichts gelernt hatte dabei – außer, dass er noch nicht mächtig genug gewesen ist seinerzeit. Heinrich hat damals beschlossen, kurzen Prozess zu machen. Er belagerte und eroberte Rom, ersetzte den alten Papst durch einen neuen und ließ sich samt Frau zum Kaiser krönen. Rom brannte ab, nachdem die zu "Hilfe" geeilten normannischen "Retter" des abgesetzten Papstes es in Brand gesteckt hatten. Heinrichs Frau wurde ein paar Jahre später durch eine noch nicht zwanzigjährige Witwe ersetzt. Die wiederum verpetzte ihn kurz drauf beim damaligen Papst, woraufhin der den Kaiser erneut mit einem Bann belegte. Nun endlich bequemte sich Heinrich, über die Vorzüge des "konsensualen Führungsstils" wenigstens nachzudenken. Umsonst. Er musste noch einen vierten Bann über sich ergehen lassen, bevor er sich ernsthaft zum Frieden bekannte. Zu spät. Auch sein zweiter Sohn, irritiert durch die ständige Bannerei, wandte sich von ihm ab und der Kirche zu. Er erzwang die Abdankung des Vaters, der, erst fünfundfünfzigjährig, an einer nicht näher bezeichneten Krankheit starb – nur wahrhaft demütig, aber doch im Exil. Der vierte und letzte Bann gegen Heinrich IV. wurde erst Jahre später auf Betreiben seines jüngeren Sohnes aufgehoben. Die Salier starben trotzdem aus. Sie mussten neuen Kaisern Platz machen, die ähnliche Fehler begingen, bis sie durch wieder andere ersetzt wurden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann herrschen sie heute noch.

     

    Was wir daraus lernen? Keine Ahnung. Nichts, nehme ich an. Ich bin jedenfalls gespannt, wie lange sich Chrysler, GM und Ford noch halten. Vielleicht haben sie wirklich etwas begriffen. Für besonders wahrscheinlich halte ich das zwar nicht, aber man soll ja die Hoffnung nie aufgeben. Die US-Regierung ist schließlich keine katholische Kirche und Chrysler, Ford und GM sind keine salischen Kaiser. Obwohl - ...