US-Aktion zur Aufklärung: Kleines "i" für Schnüffelreklame

In den USA soll personalisierte Werbung bald mit einem speziellen Logo gekennzeichnet werden. Das Grundproblem der Technik, die mit Surfspuren arbeitet, löst das nicht.

Achtung, Datenabgriff: Firmen nutzen Surfverhalten für passgenaue Werbung. Bild: dpa

BERLIN taz | Personalisierte Internet-Werbung ist für den, der sie erstmals erlebt, eine eher unheimliche Sache: Wer beispielsweise auf E-Commerce-Website A gerne Hundefutter kauft, kann dann auf Nachrichtenangebot X, Y und Z plötzlich regelmäßig mit Reklame für Tiernahrung konkurrierender Unternehmen bombardiert werden. Bis ins kleinste Detail werden potenzielle Kunden inzwischen mit der Technik, die sich auch Behavioral- oder Targeted Advertising nennt, gruppiert. Googles Variante des Verfahrens, die so genannten interessensbasierten Anzeigen, kennt mittlerweile über 500 Kategorien von der Lieblingsautomarke bis zur Leselust, die der User sogar selbst auswählen darf, wenn sie sich nicht schon aus seinem Surfverhalten ergeben, dem der Internet-Konzern über all jene Seiten folgen kann, auf denen seine Werbeanzeigen auftauchen.

Der Schnüffelaspekt, der in der neuen Reklameform steckt, die Werbern als besonders effektiv gilt, könnte in den USA nun dafür sorgen, dass die Politik einschreitet. Sowohl die Handelsaufsicht FTC als auch das Parlament, der Kongress, erwägen, die bislang kaum geregelte Technik einzuschränken oder ihr zumindest einen regulatorischen besseren Rahmen zu geben. Damit das nicht passiert, will die Industrie nun vorgreifend tätig werden. Das so genannte Future of Privacy Forum (FPF), ein Lobbyverband, in dem sich Internet- und Telekommunikations-Konzerne wie AOL, AT&T, Yahoo oder Facebook zusammengeschlossen haben, stellt zusammen mit der US-Werbeindustrie eine Selbstverpflichtung auf, um die Politik zu besänftigen.

Hauptidee dabei ist zunächst Aufklärung: So soll jeder Banner und jede Textanzeige, deren Einblendung auf der Auswertung verhaltensbasierter oder demographischer Daten basiert, mit einem weißen "i" auf blau-grünem Hintergrund gekennzeichnet werden. Klickt der User auf das Icon, das sich optisch am bekannten Klammeraffen orientiert, wird er auf eine Informationsseite geschickt, wo der Werbetreibende sich dann erklären kann, welche Surf-Daten er verwendet hat. Wenn es nach der FPF geht, soll das Zeichen bald so bekannt wie das Recycling-Symbol auf Mülltonnen werden. "Wenn die Menschen es einmal verstanden haben, verstehen sie es immer", so Direktor Jules Polonetsky, der früher selbst oberster Datenschützer bei AOL war. Läuft alles nach Plan, sollen die größten Netzwerber in den USA das Icon bereits bis Spätsommer nutzen und in Verbindung mit Slogans wie "Warum bekam ich diese Anzeige?" ins Gedächtnis der Nutzer bringen. Eine parallel dazu laufende Aufklärungskampagne ist geplant.

Bei der Handelsaufsicht FTC ist man sich noch unsicher, wie man die FPF-Kampagne bewerten soll. Gegenüber der New York Times sagte ein Sprecher, es sei noch zu früh um festzustellen, ob "i" und Aufklärung bei den Kunden ankämen. Eine Kennzeichnung sei grundsätzlich gut. Doch müssten die Firmen auch bereit sein, Hintergrunddaten über das Nutzerverhalten zu liefern, etwa die Zahl der erfolgreichen Klicks oder zum nicht selten schwierigen "Opt-out", also der Abmeldung von der personalisierten Werbung. Nur so sei eine Debatte möglich.

Beim Auffinden eines geeigneten Icons hatte das FPF zunächst keine Kosten und Mühen gescheut. Verschiedene Logos wurden innerhalb eines Panels aus mehr als 2000 Nutzern getestet, Professoren und große Werbeagenturen beteiligt. So will man "Juristenenglisch" möglichst vermeiden, denn das funktioniere nicht. Doch die ganze Aufklärung nutzt wenig, wenn das Grundprinzip der neuen Werbeform potenziell dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung widerspricht, wie Datenschützer immer wieder warnen.

In Europa und Deutschland ist personalisierte Werbung derzeit in der Politik noch kein großes Thema, obwohl auch hier die Technik bereits in unterschiedlichem Maße eingesetzt wird. Bestrebungen der Industrie, sich selbst zu regulieren, bevor es Politik und Datenschützer tun, gibt es jedoch. So legte das Fachforum Online-Mediaagenturen (FOMA) in diesem Monat ein "Online Behavioral Advertising Manifest" vor, in dem die Agenturen unter anderem versprechen, niemals Zielpersonen, sondern stets Zielgruppen anzusprechen. Zudem solle jedem Nutzer "die Wahlfreiheit hinsichtlich des Einsatzes" der Technik gelassen werden.

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