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■ URDRÜ'S WAHRE KOLUMNEKleine Randerscheinungen

Heute also feiert Michelangelo Geburtstag, und wenn alles so läuft, wie nicht nur die Erfinder des Computervirus gleichen Namens hoffen, so dürfen wir uns diesen 6. März 1992 als dramatischen Wendepunkt in Richtung auf eine Welt vorstellen, die dem Wahren/ Schönen/ Guten wieder eine Chance gibt.

Natürlich wird es kleine Randerscheinungen geben, die zunächst als negativ empfunden werden: Wir werden uns die regelmäßigen Kontoauszüge abgewöhnen müssen, was allerdings auch einigen Verdruß erspart. Bei der Verfolgung von Schwarzarbeitern, Beförderungserschleicherinnen, Offenbarungseidgenossen und sonstigen Hütchen-SpielerInnen des kriminellen Alltags wird Kommissar Computer nach seinem Ableben eine bleibende Lücke hinterlassen und die Schmarotzergilde der Wissenschaftler verliert ihr schönstes Spielzeug: Wer soll jetzt in nullkommanix Sekunden den statistischen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Keuchhusten bei Seehunden und den Verkaufszahlen von Gasfeuerzeugen aufzeigen? Immanuel Kant räsonnierte über den kategorischen Imperativ ohne Laptop, Heinrich Schliemann fand die Stätten antiker Größe ohne Computerauswertung von Satellitenfotos und das 1.840 Seitendicke Kursbuch des Deutschen Reiches von 1928 wurde völlig ohne EDV koordiniert und dennoch waren die Züge pünktlich.

Wir werden also durchaus weiterleben können! Horoskope werden wieder von der Hand gemacht, Partnersuche erfolgt in der Kneipe nebenan oder im Bürgerpark.

Das Katasterwesen bricht zusammen, der Mietpreisspiegel wird von Michelangelo-verseuchten Programmen als Sixtinische Deckenmalerei abgebildet und Ulrich Nölle bittet alle plötzlich anonym gewordenen Schuldner der Sparkasse, sich freiwillig zu ihren Minusbeträgen zu erklären.

Die wichtigen Dinge des Lebens bleiben vom Zusammenbruch der programmierten Parallelwelten ohnehin unberührt: Es werden weiter Kinder gezeugt und geboren, Fußballtabellen führt wieder der Vereinsschriftführer mit Bleistift und Lineal, gestorben wird wie eh und je, die Kühe geben weiter Milch, die Schweine Koteletts und Bratwurst und die Brauer ihr Bier. Was bleibt ist die Erinnerung an einen Alptraum und die Wiederentdeckung der mechanischen Schreibmaschine. Und freuen sie sich: Die TAZ erscheint nach kurzer Pause demnächst wieder im Bleisatz-mit nur einer Seite, denn wir alle haben dann Wichtigeres zu tun... Ulrich Reineking-Drügemöller

P.S.: Dieser Beitrag zum Michelangelo-Tag 1992 erscheint an Stelle der sonst gewohnten WAHREN KOLUMNE da der Verfasser noch auf einer Traumreise mit Möglichkeit zur Teilnahme an einer Werbeverkaufsveranstaltung ist. Davon später mehr... Um Gerüchten vorzubeugen: Das TEXT AS TEXT CAN-Programm von UrDrü & Co zum Internationalen Frauentag in der GAaDeWe findet trotzdem statt. Und Herrlein darf mit oder ohne Frauchens Begleitung dabeisein! (Heute und am Sonntag, 20 Uhr!)

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