piwik no script img
taz logo

UNO gibt Bush freie Hand

■ Die Zustimmung des Sicherheitsrates für eine Seeblockade gegen Irak sanktioniert die US-Politik / Nervenkrieg um westliche Botschaften in Kuwait geht weiter

Beschluß des UN-Sicherheitsrates:

Die Seestreitkräfte der multinationalen Truppen im Golf dürfen das vor drei Wochen vom UN-Sicherheitsrat gegen den Irak verhängte Handelsembargo jetzt auch militärisch durchsetzen. Dazu haben sie 13 der 15 im Sicherheitsrat vertretenen Länder in der Nacht zum Samstag ermächtigt. Nur die Vertreter Kubas und Jemens enthielten sich der Stimme. Die USA nannten die Entscheidung des Sicherheitrates „historisch“. Iraks Außenminister Asis hingegen sah in ihr den Beweis dafür, daß die UNO nun vollends zu einem US -Instrument geworden sei. Der irakische Präsident Saddam Hussein drohte möglichen Angreifern mit „Kolonnen von Toten“. Wie die Bagdader Agentur 'INA‘ meldete, erklärte sich Saddam Hussein allerdings zu Vermittlungsgesprächen über die Golfkrise bereit, die UN-Generalsekretär Perez de Cuellar noch für diese Woche angeregt hat.

Die Bundesregierung wertete die UNO-Entscheidung „als weiteres Zeichen internationaler Solidarität gegen die Aggression Iraks“. Auch Paris sah in dem Beschluß einen Beweis der „Entschlossenheit und Solidarität der internationalen Staatengemeinschaft“. Der französische UNO -Vertreter Blanc betonte aber, die Entschließung sei keine Blankovollmacht für einen wahllosen Gebrauch von Gewalt. Sie lasse jedoch „den Einsatz eines Minimums von Gewalt“ zu wenn dies erforderlich sei. Das Londoner Außenministerium kommentierte, die von Großbritannien mit vorangetriebene Verabschiedung werde den „Würgegriff“ um den Irak verstärken. Der sowjetische Präsident Gorbatschow bekräftigte, die UdSSR werde „alles Nötige tun“, um die Einhaltung des Wirtschaftsembargos gegen den Irak sicherzustellen. Der sowjetische UNO-Botschafter Losinskij forderte den Irak erneut auf, nichts zu unternehmen, was als Herausforderung verstanden werden könnte. Derweil wollen die irakischen Invasionstruppen die in Kuwait verbliebenen Diplomaten offenbar mit dem Sperren der Strom- und Wasserversorgung zum Aufgeben ihrer Botschaften zwingen. Immer mehr Vertretungen wurde seit Samstag kurzerhand Strom oder Wasser abgedreht. Die Iraker gingen jedoch nicht gewaltsam gegen die Diplomaten vor, die nach irakischer Darstellung mit Ablauf des Ultimatums zur Schließung der Missionen vom Samstag morgen ihre Immunität verloren haben. Die bundesdeutsche Botschaft ist seit gestern mittag ohne Stromversorgung. Die DDR-Mission hat seit Samstag weder Wasser noch Strom. Irakische Soldaten rissen nach Angaben aus Rom die Mauer um die französische Botschaft ein, um die Wasserversorgung lahmzulegen. In der weiterhin vollständig umstellten Mission waren am Sonntag Wasser, Strom und die Telefone abgeschaltet. Auch die britische, amerikanische, spanische und italienische Botschaft waren am Wochenende ohne Wasser und Strom. Unterdessen laufen in der Europäischen Gemeinschaft die Vorbereitungen für eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Botschaftskrise.

Das Außenministerium in London meldete, daß am Samstag weitere acht Briten aus Kuwait in strategisch wichtige Einrichtungen Iraks gebracht wurden. Insgesamt seien damit 147 britische Staatsbürger verschleppt worden. Die Bundesbürger „in einer irakischen Schlüsseleinrichtung“ würden „sehr gut behandelt“, berichtete 'INA‘. Die Bundesregierung hatte kürzlich bekanntgegeben, elf Westdeutsche seien von den irakischen Behörden an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Immer mehr Ausländer versuchen unterdessen, aus dem Irak und Kuwait nach Jordanien und in die Türkei zu flüchten. Auch Syrien und der Iran öffneten am Wochenende ihre Grenzen zum Irak, um Ausländern die Durchreise zu ermöglichen.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) startete am Wochenende eine neue arabische Initiative zur Lösung der Golfkrise. Am Samstag wurde bekannt, daß Arafat schon am Freitag dem irakischen Präsidenten sowie dem saudischen König Fahd eine entsprechende Botschaft übermitteln ließ. Arafat schlug vor, zunächst keine weiteren Truppen mehr in die Krisenregion zu entsenden. Als nächster Schritt solle ein gleichzeitiger Rückzug der Iraker aus Kuwait und der ausländischen Truppen aus dem Golf erfolgen. Ihren Platz auf beiden Seiten sollten arabische Streitkräfte und UN-Truppen einnehmen. Im irakisch-kuwaitischen Konflikt müsse dann die Arabische Liga vermitteln.

Der jordanische König Hussein wollte gestern zu einer viertägigen Reise in fünf nordafrikanische Staaten aufbrechen, um Möglichkeiten zur Lösung der Golfkrise zu erörtern. Am vergangenen Donnerstag hatte König Hussein bereits den Jemen und Sudan besucht. Der sudanesische Außenminister Sahlul dementierte nach Berichten der kenianischen Presse vom Sonntag, man habe Bagdad sudanesische Militärstützpunkte zur Benutzung angeboten. Andere Gerüchte wollten von irakischen Stützpunkten im Jemen wissen.

Unterdessen haben die Sowjetunion und Frankreich ihre „tiefe Besorgnis“ über die Krise am Golf betont und den Irak aufgefordert, „Realismus und gesunden Menschenverstand“ zu zeigen. Beide Staaten riefen Bagdad „nachdrücklich“ dazu auf, „dem Willen der internationalen Gemeinschaft Folge zu leisten, wie er in den Resolutionen des Weltsicherheitsrates zum Ausdruck“ komme. Schewardnadse erklärte zudem, daß parallel zu den bisher vom Sicherheitsrat getroffenen Maßnahmen unbedingt diplomatische Anstrengungen zur Regelung aller Probleme im Nahen Osten unternommen werden müßten. US -Verteidigungsminister Cheney sieht dagegen so lange keine Möglichkeiten zu Verhandlungen mit dem Irak, bis Bagdad alle Invasionstruppen aus Kuwait zurückgezogen hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen