piwik no script img

■ UNO-Konferenz zur Bekämpfung des Ozonlochs in WienOzon und Opfermut

Nie war das Ozonloch so groß wie heute. Und nach den gestrigen Beschlüssen in Wien ist absehbar, daß dieser Satz auch weit bis ins nächste Jahrtausend immer aufs neue aktuell sein wird. Denn die wirtschaftlichen Interessen einiger Konzerne haben die internationale Verhandlung mal wieder mehr beeinflußt als der Gedanke an künftige Generationen, denen Hautkrebs als Volkskrankheit droht.

Dabei galt das vor acht Jahren beschlossene Montrealer Protokoll stets als vorbildliches Beispiel eines UNO-Umweltvertrags: Viele Regierungen einigten sich damals, eine globale Öko-Bedrohung gemeinsam aus der Welt zu schaffen. Die Industrienationen, zu 90 Prozent verantwortlich für den Amoklauf des Chlors in der Stratosphäre, versprachen einen raschen Abschied vom Ozonkiller Nummer eins, FCKW. Die Entwicklungsländer sollten einige Zeit später folgen.

Für die großen Chemiekonzerne bedeutete dieser Vertrag jedoch keineswegs ein großes Opfer. Im Gegenteil. Das Loch bescherte ihnen einen riesigen neuen Markt für Ersatzstoffe, die sie selbst bereits im Vorfeld entwickelt hatten. Daß diese Produkte umweltverträglich sind, kann niemand behaupten: H-FCKW hat immer noch ein Fünftel des Ozon-Zerstörungspotentials von FCKW. Und das bei Hoechst massenhaft produzierte R134a ist mehrere tausendmal so klimaschädlich wie Kohlendioxyd.

In Wien hätten jetzt rasche Ausstiegszeiten für H-FCKW und Methylbromid beschlossen werden müssen, wenn es der Ozonschicht in absehbarer Zeit bessergehen soll. Das aber liegt nicht im Interesse der großen Konzerne. Denn die neuen Ersatzstoffe sind nicht profitabel. Das umweltfreundliche Kühlmittel Propan-Butan beispielsweise ist sehr billig und in großen Mengen vorhanden. Nur wenn die Ökologie der Ökonomie nützt, hat sie bei internationalen Vereinbarungen eine Chance.

Das ist auch in Deutschland so. Zwar brüstet sich Kohl, den FCKW-Ausstieg eineinhalb Jahre vor dem vereinbarten Termin Ende 1995 geschafft zu haben. Aber: Noch immer werden 2.700 Tonnen des schlimmsten Ozonzerstörers hierzulande verbraucht. Das Nachfüllen von Autoklimaanlagen gilt als ebenso unverzichtbar wie die Versorgung von Asthmathikern mit Spraydosen. Ihre LeidensgenossInnen in Skandinavien werden hingegen fast alle mit umweltfreundlichem Pulver versorgt. Aber da gibt es ja auch keinen Boehringer, der das Ableben vieler Kranker prognostiziert, wenn sie nicht die rettende Substanz aus Ingelheim bekommen. Annette Jensen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen