■ UNO-Blauhelme geben Benzin an Karadžićs Truppen ab: Schmiere für den Krieg
Wenn der UNO-Unterhändler Akashi es als Erfolg verbucht, Karadžić in dessen Hochburg Pale die Zusage abgerungen zu haben, daß die UNO-Truppen in Sarajevo wieder Benzin erhalten, ist dies ausgesprochen grotesk. Denn die „Verhandlungen“ Akashis zeigen zweierlei: erstens die inzwischen völlig lasche Haltung der UNO-Truppen in Bosnien-Herzegowina, die dazu führt, daß sie nicht einmal die eigene Versorgung gewährleisten können, geschweige denn ihrem Auftrag Genüge tun, die Versorgung der notleidenden Bevölkerung zu garantieren; zweitens, daß die UNO sich nicht scheut, mit einem skandalösen Kuhhandel das Wirtschaftsembargo Serbiens (!) gegenüber den bosnischen Serben zu unterlaufen. Denn nach Meldungen von CNN ist der Preis für die „reibungslose Versorgung“ der UNO-Truppen in Sarajevo die Abgabe von fünfzig Prozent der Benzinmenge an die bosnischen Serben.
Akashi liefert im Auftrag der Weltgemeinschaft Schmiere für den Krieg. Er müßte doch eigentlich wissen, daß die bosnisch-serbischen Truppen an vielen Fronten Bosniens aktiv wurden, nachdem die Frist für die Unterschrift unter den Plan der Kontaktgruppe am 15. Oktober verstrichen war. Dazu ist eine gewaltige Logistik vonnöten und natürlich Treibstoff für die Panzer und Versorgungsfahrzeuge. Daß die Lager noch vor dem Embargo Serbiens gefüllt wurden, ist ja kein Geheimnis. Daß nun aber die UNO-Truppen selbst die Schmiere liefern, ist mehr als nur eines der häufigen Skandälchen in diesem Krieg. Es ist die auf die Spitze getriebene Fortsetzung einer Politik der humanitären Hilfe, die bisher den Armeen mehr genützt hat als der Bevölkerung.
Um Sarajevo zu versorgen, muß das UNO-Hilfswerk UNHCR seit Beginn der humanitären Hilfe im Juni 1992 einen Teil an die bosnisch-serbische Seite abgeben. Augenblicklich soll sich die Quote auf fünfzig Prozent belaufen. Auch die Versorgung der Enklaven in Goražde, Zepa und Srebrenica ist nicht umsonst zu haben. Die humanitäre Hilfe der UNO hat die Armeen alimentiert, die serbisch-bosnische, die kroatisch-bosnische HVO und auch die bosnische Armee. Um nicht mißverstanden zu werden: Die humanitäre Hilfe der privaten Hilfsorganisationen, der UNO und EU sind weiterhin überlebenswichtig für große Teile der Bevölkerung. Es geht jedoch nicht an, daß die UNO-Truppen, anstatt den Schutz der Konvois zu übernehmen und die humanitäre Hilfe, wenn nötig, mit militärischem Nachdruck an die Bedürftigen zu bringen, die Kriegsmaschinerien schmieren. Akashis „Erfolg“ in Pale deutet auf die Sackgasse hin, in der sich die Vereinten Nationen in Bosnien befinden, und die ist an diesem Beispiel sehr gut zu begreifen. Erich Rathfelder
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