: UNHCR: Griechenland kein „sicherer Drittstaat“
■ Kein „effektiver Schutz“ für abgeschobene Asylbewerber in Griechenland / Expertise zum Verfahren des Bundesverfassungsgerichts über neues Asylrecht
Karlsruhe (AFP/taz) – Griechenland ist nach Auffassung des Hohen Kommissariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) für Asylbewerber kein „sicherer Drittstaat“. In einer Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht (BVG) warnt das UNHCR davor, Asylbewerbern, die über Griechenland in die Bundesrepublik kommen, die Einreise zu verweigern und sie ohne weiteres abzuschieben. Im Gegensatz zur neuen Asylregelung im Grundgesetz, die alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und damit auch Griechenland als „sichere Drittstaaten“ definiert, sieht das UNHCR einen „effektiven Schutz“ für abgeschobene Asylbewerber dort nicht gewährleistet.
Es sei eine Reihe von Fällen bekannt, in denen Asylbewerber aus Griechenland über weitere Transitstaaten in die Verfolgerländer abgeschoben wurden. Das UNHCR empfiehlt deshalb in dem Papier vom 31. Januar dieses Jahres, daß die Bundesregierung von Athen „ausdrückliche Zusicherungen“ über den effektiven Schutz der Betroffenen einholen solle, „bevor irgendein Asylbewerber durch die deutschen Behörden nach Griechenland zurückgeschickt wird“. Den Asylbewerbern solle zudem bei den Asylbegehren in der Bundesrepublik die Möglichkeit eingeräumt werden, im Einzelfall zu widerlegen, daß ein bestimmtes Land für sie sicher ist.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Expertise des UNHCR im Zusammenhang mit Verfassungsbeschwerden von zwei Asylbewerbern aus dem Iran eingeholt. Ihr Asylantrag war vom Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im September vergangenen Jahres abgelehnt worden, weil ihnen aufgrund der Einreise aus dem „sicheren Drittstaat“ Griechenland kein Asylrecht zustehe. Der Frankfurter Anwalt Victor Pfaff hatte daraufhin für seine Mandanten Verfassungsbeschwerde eingelegt und durch eine einstweilige Anordnung des BVG eine Abschiebung bis zur Entscheidung im Hauptverfahren verhindert. Das Gericht prüft nun, ob das Asylrecht bei fehlender Sicherheit eines Drittstaates verfassungswidrig ist oder eingeschränkt ausgelegt werden kann.
In dem Verfahren soll unabhängig von dem Drittstaaten-Problem ebenfalls der Frage nachgegangen werden, ob auch Grundrechte wie die Würde des Menschen oder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit die Abschiebung eines Flüchtlings in sein Heimatland verbieten, wenn ihm dort eine menschenunwürdige Behandlung droht. Das Verfahren soll in diesem Jahr entschieden werden.
In der Stellungnahme schreibt das UNHCR, Griechenland versuche, Asylbewerber, die nicht „unmittelbar“ um Asyl nachsuchten oder nicht „direkt“ aus ihrem Heimatland eingereist seien, abzuschieben. Die Behörden hätten dabei bis in die jüngste Vergangenheit weniger einen „rechtlichen Ansatz“ verfolgt, sondern seien „eher pragmatisch“ vorgegangen.
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