UN-Gipfel: Die Verwüstung der Erde
In Madrid startet der inzwischen achte 8. UNCCD-Gipfel gegen Desertifikation. Umweltschützer drängen darauf, das Problem endlich ernst zu nehmen.
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MADRID taz Im Jahr 2025 werden 65 Millionen Menschen aus Afrika fliehen, die Ausbreitung der Wüsten kostet die Staatengemeinschaft schon heute 42 Milliarden US-Dollar. Am Montag startet in Madrid ein zehntägiges Treffen der Vertragsstaaten der UN-Wüstenkonvention. Schon am Wochenende haben internationale Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen im Europäischen Netzwerk gegen Desertifikation (eniD) bei einem Vortreffen an die Staatengemeinschaft appelliert, das Problem endlich ernst zu nehmen.
So eindringlich die Warnung auch klingt: Schon der Begriff Desertifikation ist kaum bekannt. Er beschreibt nicht etwa nur die Ausbreitung bereits bestehender Wüsten, wie etwa der Sahara in Mali oder Mauretanien, sondern generell den Verlust des fruchtbaren Bodens durch zu intensive Nutzung durch den Menschen. "Landstriche werden zu Wüsten, die klimatologisch gesehen gar keine sein müssten", beschreibt der spanische Desertifikationsforscher José Luis Rubio das Phänomen. Der Klimawandel verstärke diese Entwicklung, sei aber nicht die Ursache, betont er.
José Luis Rubio gründete vor über zehn Jahren das spanische Forschungszentrum zur Desertifikation. Denn nicht nur in Afrika veröden ganze Landstriche. In Südeuropa sind vor allem Waldbrände, Ackerbau und der Siedlungsdruck an den trockenen Küsten der Grund für die Verwüstung. Rubio untersucht vor allem die Auswirkungen von Waldbränden. Das Feuer zerstört die Vegetation, Herbstgewitter spülen schließlich den brachliegenden Humus in die Täler, es kommt zu Schlammlawinen, Asche vergiftet Flüsse und Meere. Dies geschah im letzten Herbst im nordwestspanischen Galicien, ähnliches droht nun auch in abgebrannten Regionen Griechenlands.
Spanien ist aber auch in anderer Hinsicht ein gutes Beispiel für die Folgen der Desertifikation, meint das Netzwerk eniD: Viele der Armutsflüchtlinge in den Booten auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln stammten schon heute aus verödeten Gegenden Afrikas. Die 30.000 dieser Armutsflüchtlinge auf den Kanaren vom letzten Jahr könnten erst der Anfang sein: Der algerische Planungs- und Umweltminister Cherif Rahmani schätzt, dass im Jahr 2025 65 Millionen Afrikaner vor der Ausbreitung der Wüsten in die Industriestaaten fliehen werden.
Mehr als eine Milliarde Menschen leiden bereits jetzt unter der Ausbreitung der Wüsten. Die "UN-Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation" (UNCCD) von 1994, deren Sekretariat ihren Sitz in Bonn hat, ist neben Klimaschutz und Artenvielfalt das dritte große Abkommen, das 1992 aus dem Umweltgipfel von Río de Janeiro hervorgegangen ist. Doch die UNCCD sei nur die "arme kleine Schwester der Rio-Konventionen", erklärten Anneke Trux und Reinhard Bodemeyer von der "Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" (GTZ) im letzten Jahr, dem "Jahr der Wüsten und Desertifikation", in der Zeitschrift "Entwicklung & Ländlicher Raum".
Die UNCCD habe kaum Kontrolle über die Aktionsprogramme, ihr fehle es auch an Sanktionsmöglichkeiten wegen der ausstehenden zwei Millionen US-Dollar an Mitgliedsbeiträgen, und der Expertenausschuss verliere sich in Diskussionen um Nebensächlichkeiten, kritisierten die GTZ-Experten. Die Vertragsstaaten der UNCCD hatten darum schon vor zwei Jahren eine Reformgruppe gegründet. In Madrid wollen sie nun über die Ergebnisse beraten. Viel Zeit bleibt ihnen nicht. Schnelles Handeln sei gefragt, sonst werde der zunehmende Verlust fruchtbaren Bodens Millionen von Menschen ihrer Lebensgrundlage berauben und zur Auswanderung zwingen, warnte das Netzwerk der Umweltschutz- und Entwicklungshilfeorganisationen auf seinem Vorgipfel am Wochenende.
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