UN-Bericht: Mafiöse Strukturen in Kenias Polizei
"Kenias Polizei mordet mit System", sagt UN-Sonderberichterstatter Philip Alston. Polizisten, die töten, hätten nicht mit Konsequenzen zu rechnen. Auch die Regierung ist beteiligt.
NAIROBI taz Die Leichen lagen auf Weiden, unter Brücken oder im dichten Gestrüpp, das das Umland von Nairobi umgibt. Mehr als 500 Tote wurden hier zwischen Juni und Oktober 2007 gefunden, von vielen hatten Hyänen nicht viel übrig gelassen. Bei anderen wurden Einschusswunden im Hinterkopf gefunden - die Opfer waren aus nächster Nähe hingerichtet worden.
Verantwortlich dafür, das sieht der UN-Sonderberichterstatter Philip Alston als erwie- sen an, ist Kenias Polizei. Nach einer zehntägigen Reise durch Kenia legte er am Mittwoch einen ersten Bericht vor. Demzufolge hat damals eine Todesschwadron gezielt all jene ermordet, denen eine Mitgliedschaft in der mafiösen Mungiki-Sekte vorgeworfen wurde.
Ein Fahrer der Schwadron, der Menschenrechtlern ein auf Video aufgezeichnetes Interview gab, beschreibt detailliert 24 Hinrichtungen mit 58 Toten. Kurz vor den Morden hätten die Beamten in telefonischem Kontakt mit dem Polizeipräsidenten oder einem seiner Stellvertreter gestanden, heißt es darin. Jeder Schütze habe nach einem Mord einen Bonus von umgerechnet 50 Euro erhalten. Vor Gericht kann der Zeuge seine Aussage nicht wiederholen, denn kurz nach der Aufzeichnung wurde er unter ungeklärten Umständen erschossen.
"Kenias Polizei mordet mit System, die Morde sind weit verbreitet und gut vorbereitet", wettert Alston. "Die Morde werden willkürlich ausgeführt, die Täter bleiben unbehelligt." Die Polizei könne töten, wie es ihr gefalle. "Und die Spitzen von Polizei und Politik sind beteiligt." Alston fordert die sofortige Entlassung von Polizeipräsident und Generalstaatsanwalt.
Das System, das Alston aufdeckt, schützt all jene, die Verdächtige ermorden, anstatt sie festzunehmen. "Wer in Kenia versucht, eine Glühbirne zu klauen, muss damit rechnen, erschossen zu werden", so Alston. Zu befürchten hätten die Polizisten nichts: weder gebe es in Kenias Polizei eine Abteilung für interne Ermittlungen noch eine externe Kontrollinstanz. Nicht einmal die Zahl der erschossenen Opfer werde registriert. "Als ich den Polizeipräsidenten mit den Vorwürfen konfrontiert habe, hat er nur gesagt: das ist haltlos, so was untersuchen wir nicht."
Ähnlich verhielt es sich beim Militär, dem Alston vorwirft, für mehr als 200 Tote in der Region rund um den Mount Elgon im Westen Kenias verantwortlich zu sein. Beim Einsatz gegen eine kriminelle Miliz seien im März 2008 Verdächtige gefoltert, vergewaltigt und brutal ermordet worden. "Für Verhöre sind regelrechte Konzentrationslager eingerichtet worden, in denen die Verdächtigen erniedrigt und misshandelt wurden." Augenzeugen fanden wie im Jahr zuvor übel zugerichtete Leichen wahllos in den Wäldern verteilt.
Dass Kenias Regierung etwas unternimmt, ist unwahrscheinlich. Seine Arbeit habe man massiv behindert, so Alston. "Man hat uns überwachen lassen und Zeugen bedroht, in einem Fall wurde den Bewohnern eines ganzen Vertriebenenlagers der Entzug von Essen für den Fall angedroht, dass man mit uns redet."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!