piwik no script img

UN-Bericht zur biologischen VielfaltWarnung vor Massensterben

Die Zwischenbilanz zum Zustand der globalen biologischen Vielfalt fällt katastrophal aus. Nur ein radikaler Politikwechsel kann demnach katastrophale Folgen noch aufhalten.

Die Anzahl der Lebewesen, die nur noch aufgespießt in Schaukästen zu bestaunen ist, wird immer größer. Bild: ap

NAIROBI taz | Knapp hundert Seiten, auf denen fast 500 wissenschaftliche Artikel und 120 Regierungsberichte zur Artenvielfalt ausgewertet werden, dazu aktuelle Statistiken, brillante Grafiken und markante Fotos: Besser als im "Global Biodiversity Outlook", dem wohl wichtigsten UN-Bericht im laufenden Jahr der Artenvielfalt, könnte der Zustand des globalen Ökosystems kaum aufbereitet sein.

Auch deshalb sticht ins Auge, wie katastrophal die Bilanz ausfällt: Acht Jahre nach dem Beschluss der Ziele zum Schutz der Biodiversität für das Jahr 2010 ist nicht ein einziges der 21 Ziele erreicht worden. Tierarten, die damals als bedroht gelistet wurden, sind heute bedrohter als damals. Natürliche Habitate schrumpfen weltweit, allem voran Feuchtgebiete, Salzmarschen und Korallenriffe.

"Was wir heute sehen, sind die Vorboten des sechsten Massensterbens in der Geschichte der Erde." Mit diesen Worten setzt Autor Thomas Lovejoy die derzeitige Lage mit dem Aussterben der Dinosaurier vor gut 65 Millionen Jahren gleich.

"Die Folgen für die Menschheit wären katastrophal." Lovejoy und seine Kollegen warnen vor allem vor Tipping Points, plötzlichen Ereignissen, bei denen der sprichwörtliche Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt. "Wir bewegen uns von graduellem Artensterben hin zu Verlusten von katastrophalem Ausmaß", warnt Paul Leadley von der Universität Paris-Süd 11. "Das Schlimmste ist, dass wir solche Ereignisse nicht vorhersagen können, weil sie das Produkt von zu vielen komplexen Interaktionen sind."

So zeigen Berechnungen der Biologen, dass das Überleben des Amazonas-Regenwalds von einem Zusammenspiel von Abholzung, Buschfeuern und Klimawandel abhängt. "Jeder dieser drei Prozesse kann das System zum plötzlichen Zusammenbruch führen", so Leadley.

Überraschend, dass die Autoren des Berichts dennoch Positives zu sagen haben. "Wir haben mehr Optionen, als wir noch vor einigen Jahren hatten", so Lovejoy. Als Beispiel nennt er diverse Arten einer Kohlenstoffsteuer.

"Wenn sie nur auf fossile Energieträger erhoben wird, dann wird der Verlust von Wäldern zwangsläufig zunehmen, weil mehr nachwachsende Rohstoffe angebaut werden", so Lovejoy. Nur wenn der Landverlust durch den Anbau von Rohstoffen für Biodiesel mitbesteuert werde, sei eine Erholung der Natur erreichbar. "Wir brauchen ein radikales Umsteuern."

Auf Grundlage der neuen Erkenntnisse fordert Lovejoy auch eine Wende in der Klimapolitik: Das Überleben der Natur soll der oberste Maßstab für ein Klimaabkommen sein. "Die 2 Grad, die in Kopenhagen als Obergrenze für die globale Erwärmung vereinbart werden sollten, sind für die Natur zu viel", sagt er. "Eine Welt, die 2 Grad heißer ist, wird etwa eine Welt ohne Korallenriffe sein."

Wie solche Forderungen politisch abgesichert werden sollen, ist unklar. Die UN-Vollversammlung soll den Bericht im Herbst diskutieren, im Oktober folgt der Biodiversitätsgipfel in Nagoya.

Damit Wissenschaft und Politik stärker in Kontakt kommen, fordert der Chef des UN-Umweltprogramms, Achim Steiner, dass analog zum Weltklimarat auch ein Weltbiodiversitätsrat eingesetzt wird. "Das wäre ein wichtiger Schritt, um der Politik die Entschuldigung zu nehmen, dass sie sich mit der Wissenschaft nicht beschäftigen kann, weil sie zu komplex ist."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
  • D
    David

    @ Hartmut Zielke:

    wenn wir uns bei der Lösung solch wichtiger, und hoch komplexer Themen an die Bibel wenden sollen, dann frage ich mich ob nicht der Koran oder vielleicht die Worte des Scientology Gründers L. Ron Hubbard ähnlich gute Wahl wären...

    Das hier beschriebene Massensterben kann nur durch Umdenken der gesasmten Menschheit(oder wenigstens der Menschen die unsere Gesetze schaffen, sprich Politik) kommen, welche dann durch nachhaltigeres wirtschaften und leben unseren Planeten weniger ausbeutet!

     

    Und das von Ihnen beschriebene Szenario in der Bibel zeigt nur die allgemeine Haltung der Christen(ich bin auch Christ) dass wir: böse Menschen sind, sündigen, und großes Unheil auf uns zukommt(Umweltkatastrophe etc...), welches nur mit Hilfe von Gott überwunden werden kann.

     

    Aber zur Lösung dieser globalen Probleme muss die Menscheit zusammenarbeiten(und nicht wie die meisten Religionen gegeneinander), um unseren Lebensraum-Erde noch für unsere Kindes-Kinder zu erhalten.

  • K
    Karl

    Viel Bullshit

     

    Denn weder Erosion noch Kontinetaldrift lassen sich aufhalten. Und schon Gondwana war in Teile deutlich wärmer, Riffgemeinschaften hat es damals auch gegeben. Zudem sind schon einige Klades ausgestorben und das wird sich auch so fortsetzen. Unser Einfluss iszt sicher neagtiv, aber begrenzt.

     

    Es gibt keine Möglichkeit die Evolution einzufrieren!

     

    Glück auf

     

    Karl

  • TS
    Thomas Sch.

    Ich glaube es nicht, ich glaube es nicht, es überzeugt mich einfach nicht. Vor Jahren prophezeiten uns Wissenschaftler (!), daß um die Jahrtausenwende Deutschland keinen Wald mehr haben würde. Vor Jahren prophezeiten uns Wissenschaftler (!), daß wir auf eine neue Eiszeit zusteuern würden. Jetzt prophezeien uns Wisschenschaftler (!) die nächste Katastrophe. Lassen Sie sich ruhig ins Bockshorn jagen. Ich nicht. Ich habe so die Ahnung, daß es bei der angeblichen Rettung der Welt (wieder mal) in allererster Linie um unsere Penunse und nicht um bunte Blumen und zufriedene Eisbären geht.

  • M
    mati

    Schade, dass ein solcher Bericht derart wenig Raum in der taz einnimmt, wo über den Ausgang der Bundesliga ausführlich in mehreren Artikeln berichtet wird (,die ich mit Vergnügen gelesen habe). Leider fehlt auch eine Angabe der links zu weiteren Informationen.

     

    Hier mal der komplette Bericht (englisch)

    http://www.cbd.int/gbo/gbo3/doc/GBO3-final-en.pdf

     

    und die Zusammenfassung (deutsch)

    http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/gbo_3_de.pdf

  • ID
    I DenkSchlächter

    Hat die UN auch vor dem von der EU verursachten Massensterben der in der EU heimischen Obstsorten, Wiesenpflanzen etc. gewarnt?

    Was tut sie gegen diesen Wahnsinn, gegen dieses Verbrechen an der Natur?

    Allein das wäre schon ein sehr ergiebiges Betätigungsfeld.

  • HZ
    Hartmut Zielke

    Vielen Dank für diesen Artikel. Beim Lesen dieser Botschaft kann man entweder den Mut verlieren und resignieren, oder sich Mut machen mit dem Trost:"So schlimm wird es schon nicht werden". Interessant bei dieser Sache ist, daß in der Bibel schon viele dieser Umweltkatastrophen an gekündigt worden sind, bzw. vorhergesagt.

    Lesen Sie mal in diesem Zusammenhang das Kapitel 16 der Offenbarung. Kopfschütteln bereiten mir in diesem Zusammenhang die Reaktionen der Menschen. Sie klagen Gott an, anstatt über ihre eigene Gottlosigkeit.

  • P
    Pessimist

    Auf die nächsten Jahre, in denen nichts passiert.

  • C
    claudia

    >>Nur ein radikaler Politikwechsel kann demnach katastrophale Folgen noch aufhalten.>"Das wäre ein wichtiger Schritt, um der Politik die Entschuldigung zu nehmen, dass sie sich mit der Wissenschaft nicht beschäftigen kann, weil sie zu komplex ist."

  • AS
    Achim Stührmann

    Droht hier eine neue Schweinegrippe?

    ?

    Welche Umweltabgaben sollen diesmal erfunden werden?

  • S
    Susanne

    Hallo, kann man den Bericht lesen oder irgendwo einsehen? Würd mich interessieren. LG