Turn-Comeback von Fabian Hambüchen: Riesenfelge und Jägersalto
Fabian Hambüchen gelingt bei der Qualifikation zur Turn-WM am Reck die beste Übung des Tages. Eine Nominierung für Tokio ist damit aber längst nicht sicher.
ALTENDIEZ taz | Das Comeback von Fabian Hambüchen ist geglückt. Nur gut sechs Monate nach dem Abriss seiner linken Achillessehne gab er bei der ersten Qualifikation für die WM im Oktober eine beeindruckende Vorstellung am Reck. Auch an den anderen drei Geräten blieb er ohne grobe Fehler. Ein "Superwettkampf" sei es gewesen, urteilte der Bronzemedaillengewinner von Peking und wirkte erleichtert.
Nicht nur der anwesende Theo Zwanziger, Vizepräsident des ausrichtenden Vereins aus Altendiez, klatschte dann noch mal besonders kräftig in die Hände. "Es ist erst mal schön, wieder da zu sein", sagte Hambüchen. Seine neue Kombination, die direkte Verbindung eines gestreckten Tkatchew-Saltos, einer gesprungenen Riesenfelge mit Drehung in den Ellgriff und einem Jägersalto mit ganzer Drehung, gelang.
Dabei lief es nach Hambüchen noch "nicht reibungslos", in einer solchen Situation heiße es, "einfach ruhig bleiben und durchziehen, volle Kanne". Es war mit 7,5 Punkten die schwierigste Übung und es war mit einer Endnote von 16,25 Punkten auch die beste Übung des Tages.
Was dieses Ergebnis wert ist, bleibt allerdings noch offen. Die Situation für den 23-Jährigen ist nicht einfach. Das Reck ist nur eines von sechs Geräten, für Sprung und Boden wird Hambüchen in Tokio definitiv nicht zur Verfügung stehen. Bei der WM gilt es, sich direkt als Team für die Olympischen Spiele in London zu qualifizieren. Die Mannschaftsaufstellung steht demzufolge für Bundestrainer Andreas Hirsch "im Mittelpunkt aller Betrachtungen", rechnerisch denkbare Einzelmedaillen spielen keine Rolle.
Der Bundestrainer braucht Allrounder
Im entscheidenden Wettkampf in Tokio treten von den sechs Turnern des Teams fünf an jedem Gerät an, die jeweils besten vier Noten werden addiert. Kurzum: Hirsch braucht starke Mehrkämpfer, um somit auch Platz zu haben "für denjenigen, der als Spezialist bezeichnet werden könnte".
Momentan ist Hambüchen ein Spezialist, der sich an Reck und Barren besonders empfehlen kann. Das eine ist, dass Hambüchen nun wieder da ist, das andere, dass in der Zwischenzeit auch andere deutsche Turner da sind, die internationale Erfolge verbuchen. Am Barren ist Marcel Nguyen im April Europameister geworden und am Reck Dritter. Philipp Boy, amtierender Vize-Weltmeister und Europameister im Mehrkampf, hat in Berlin Silber am Reck gewonnen.
Not hingegen hat der Bundestrainer am Pauschenpferd, auch hier gäbe es mit Sebastian Krimmer einen Spezialisten. Und dann ist da auch noch der Sprung- und Bodenspezialist Matthias Fahrig, der in Altendiez verletzt fehlte.
Es ist eine komplizierte Rechnung mit vielen Variablen. Was noch im letzten Jahr völlig undenkbar schien, ist daher mittlerweile eine Überlegung wert: Gehört Fabian Hambüchen im Moment zum bestmöglichen deutschen Team? Er hat darüber mit dem Bundestrainer offen gesprochen und schätzt die Lage realistisch ein: "In zwei Wochen will ich meine vier Geräte wieder gut turnen und dann gucken, wie Herr Hirsch entscheidet bezüglich der WM." Nach der zweiten Qualifikation in Göppingen wird nominiert.
Wenn es mit Tokio klappt, "dann bin ich auf jeden Fall ab dem 6. September in Kienbaum". Dort findet die sogenannte unmittelbare Wettkampfvorbereitung statt. Ansonsten gibt es einen Plan B, der einige Einsätze bei Weltcupturnieren vorsieht.
Die neue Besonnenheit
Fast wirkt Hambüchen besonnen. Das war bislang nicht unbedingt seine Art. Selbst einem Fehler gewann er am Samstag etwas Gutes ab. Am Barren erwischte er seinen Doppelsalto gebückt zum Abgang nicht optimal: "Auch bei so einer Landung hält der Fuß einwandfrei, keine Schmerzen, nichts, da bin ich sehr froh."
Am Montag wird der lädierte Fuß erneut untersucht und der weitere Trainingsplan aufgestellt. Noch geht Hambüchen zweimal in der Woche in die Reha, da geht es momentan vor allem um die Kräftigung der Wade. "Dann kommt das ganze reaktive Training, da ist noch eine Menge zu tun."
Hambüchen wirkt fest entschlossen. Andreas Hirsch freut sich über die gewachsene Konkurrenz im deutschen Lager. "Er belebt die Sache, hundertprozentig, das ist einfach so", sagt er. Versprechungen macht er nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!