Turbulenzen am Rand

Sowohl Holstein Kiel als auch der VfB Lübeck haben in der vergangenen Woche ihre Trainer entlassen. Am Samstag trafen nun beide Vereine im Nordduell der Fußball-Regionalliga aufeinander. Sie trennten sich 1:1 unentschieden

Enrico Neitzel hatte es kommen sehen. „Das wird ein schönes Chaotentreffen“, hatte der Angreifer des VfB Lübeck vor dem Gastspiel seiner Mannschaft beim ungeliebten Nachbarn KSV Holstein Kiel orakelt. Er hatte sich mit dieser Aussage eigentlich auf die Querelen innerhalb der beiden Vereine bezogen: Vor dem Derby in der Fußball-Regionalliga Nord haben sowohl die Lübecker als auch die Kieler mal eben ihre Trainer entlassen. Schnellen Erfolg hat diese Maßnahme aber keiner der beiden Mannschaften gebracht: Das Spiel endete vor 6.723 Zuschauern im Holstein-Stadion mit einem 1:1 (0:1).

In Kiel musste vergangene Woche Stefan Böger seinen Stuhl als Trainer räumen. Er wurde durch den bisherigen Sportdirektor Peter Vollmann ersetzt, der den Verein 2004 schon einmal als Übergangstrainer vor dem Abstieg bewahrt hatte. Damit beschäftigt Kiel mittlerweile den vierten Trainer in dieser Saison. Vor der Saison war der Club von Experten noch als Aufstiegskandidat gehandelt worden, mittlerweile aber droht der Absturz in die Viertklassigkeit.

Beim VfB Lübeck dagegen träumt man vom Sprung in die 2. Bundesliga. Mit der Beurlaubung des Trainers Bernd Hollerbach zog der Lübecker Vorstand die Konsequenzen aus der peinlichen 1:4-Heimniederlage gegen den HSV II. Schon seit Wochen stand Hollerbach bei den eigenen Fans massiv in der Kritik. Seinen Platz übernahm vorerst Torsten Flocken, der Trainer der zweiten Mannschaft. Flocken ließ keinen Zweifel daran, dass er sich nur als Übergangslösung versteht. „Ich bin Vertriebsleiter bei der AOK und werde das nicht aufgeben.“

In der Partie gegen Kiel fand seine Elf besser ins Spiel. „In der ersten halben Stunde haben wir gepflegten Fußball gespielt“, lobte Flocken. Den Lohn dafür gab es in der 19. Minute: Nach einer missglückten Hereingabe von Carsten Rump schaltete Dennis Kruppke am schnellsten und erzielte das 0:1.

„Ein dummes Gegentor, ein Zufallsprodukt“, haderte Kiels Trainer Vollmann. „Ich habe versucht, meine Spieler in der Pause wachzurütteln.“ Es gelang ihm. Kiel erhöhte in der zweiten Halbzeit zunehmend den Druck. Vollmann verstärkte zudem die Offensive mit Fin Bartels für den gelb-rot-gefährdeten Stefan Schnoor und Sören Brandy für Christian Mikolajczak. Er bewies damit ein glückliches Händchen. Bartels erzielte in der 66. Minute den 1:1-Ausgleich.

Turbulent ging es am Sonnabend aber auch neben dem Platz zu. Das Chaos entzündete sich an einer Szene in der 69. Minute: Der Lübecker Benjamin Baltes wurde nach einem Tritt gegen Breitenreiter vom Platz gestellt. Aufgebrachte Lübecker Anhänger versuchten daraufhin, einen Zaun einzureißen, was nur durch den Einsatz von mehreren Ordnern verhindert wurde. Nach den Krawallen in Leipzig und der Bedrohung von Dynamo Spielern in Dresden ein weiterer unschöner Fall von Gewalt im Fußball.

Kiels Trainer Vollmann resümierte nach dem Spiel: „Es war ein Sieg für uns drin, aber wir müssen leider mit dem Punkt leben. Er wird vielleicht noch sehr wichtig werden.“ Auf der anderen Seite haben die Lübecker ihre Chancen auf den Aufstieg zumindest gewahrt. Ein neuer Trainer soll laut Wirtschaftsratschef Mathias Kampmann diese Woche präsentiert werden. Wer das sein wird ist noch offen. Zwei Kandidaten, Uwe Erkenbrecher und Michael Krüger, wurden schon im Holsteinstadion gesichtet. Oliver Milz