: Türkisches Volksfest in Ost-Berlin
■ Türkiyemspor - 1. FC Saarbrücken 2:6 / Verschnarchte Saarländer wachten rechtzeitig auf
„Doch ein Strahl der milden Sonne, kehrt den Jammer schnell in Wonne.„
Berlin (taz) - Das wunderbare Sommerwetter in Berlin war ein angenehmes Trostpflästerchen für die Fans des BFC Türkiyemspor. Zwar hatte der Berliner Pokalsieger mit 2:6 ziemlich herbe gegen die Zweitliga-Spitzenmannschaft aus Saarbrücken verloren, doch die Verlockung eines angenehmen Nachmittages im Freibad ließ die Enttäuschung schon kurz nach Spielende schwinden. Und blamiert hatten sich die Türkiyem-Spieler gewiß nicht, sie hatten halt nur zu viel Bammel vor dem großen Namen gehabt.
Diesen Bammel vertrieb ihnen auch nicht die Unterstützung der Zuschauer. Zwar kamen wohl wegen des Wetters und der Ferien nur knapp 3.000 Besucher in den als zusätzlichen Nachteil anzusehenden Ausweichspielort Jahn-Sportpark in Ost -Berlin, aber gesungen und musiziert wurde mit gleicher Lust und Wonne wie im heimischen Katzbachstadion am Fuße des Kreuzberges, wo wichtige Spiele der Mannschaft meist mit kleinen türkischen Volksfesten, Janitscharengesängen, Trommel- und Flötenklängen verbunden werden.
Ebenso locker konnten einige hundert Volkspolizisten in der Sonne dösen: Die befürchteten Stänkereien rechtsradikaler Hooligans, die sich in letzter Zeit bevorzugt im Jahn -Stadion trafen, blieben aus.
Martern aller Art bereiteten nur das Wetter und die Saarbrücker. Oh, wie ängstlich, oh wie feurig ließe sich ihre Taktik am besten umschreiben. Während die flinken Türkiyem-Angreifer, vor allem Akar und Aydin, mit großem Eifer die tapsigen Saarbrücker Abwehrspieler durcheinanderquirlten, ihnen aber die Traute zum Torschuß fehlte, zeigten die Saarländer eher verwirrende Spielchen.
Erst versteckten sie sich, preschten nach einer Viertelstunde überraschend vor und erzielten durch einen fixen Konter die Führung. Welch ein Geschick! Genauso fix und verwirrend verfielen sie anschließend wieder in eine reservierte Haltung, als wollten sie gar nicht mitspielen, und trotteten verschnarcht, aber in Führung liegend, in die Halbzeit. Dies erboste ihren als spaßig beleumundeten Trainer Klaus Schlappner so sehr, daß er geradezu osmanisch „Gift und Dolch“ über seine Spieler prasseln ließ.
Was aber erst fruchtete, als Akar gleich nach Wiederanpfiff den Ausgleich köpfte. Da verspürten Schlappis Buben den dringenden Wunsch, bei dieser Hitze eine Verlängerung zu vermeiden. Plötzlich wirbelten auch die als Ersatz für den nach Frankfurt abgewanderten Stürmerstar Yeboah geholten Glöde, Schüler und Akpoborie und produzierten gemeinsam ganz schnell die erneute Führung.
Dies wiederum ließ bei den Berlinern alle Hemmungen fallen. Der erneute Ausgleich wurde aber von Schiedsrichter Harder nicht anerkannt, und daraufhin klappte Türkiyemspor moralisch und konditionell zusammen. Beleidigt und erschöpft schlichen die Spieler fortan über den Rasen, und es bedurfte keiner großen Kunst der Gäste mehr, sich mit vier zusätzlichen Toren und dem Zulassen eines weiteren Gegentreffers noch einmal von der unterhaltsameren Seite zu zeigen.
Schmiernik
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen