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Türkischer Premier ErdoganVerstörender Zionismus-Vergleich

Zionismus sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte der türkische Premier Erdogan. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten.

Der türkische Premier Erdogan verstört mit seinem Zionismus-Vergleich Bild: reuters

WIEN dpa/afp | Mit der Gleichsetzung von Zionismus und Faschismus hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Kritik aus Israel und den USA auf sich gezogen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon distanzierte sich von den Äußerungen des türkischen Regierungschefs.

Bei einer UN-Konferenz der „Allianz der Zivilisationen“ in Wien hatte Erdogan am Mittwoch gesagt: „So wie das für Zionismus, Antisemitismus und Faschismus gilt, ist es unerlässlich, Islamphobie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu betrachten.“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte Erdogans Worte scharf. „Dies ist eine dieser finsteren und verlogenen Äußerungen, von denen wir dachten, dass sie der Vergangenheit angehören“, teilte Netanjahu auf seiner Internetseite mit.

US-Außenminister John Kerry habe starke Bedenken, berichtete der Nachrichtensender CNN unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten. Die Aussage sei beleidigend und falsch: „Es ist offensichtlich, dass wir dazu eine stark andere Meinung haben.“ Das Weiße Haus in Washington verurteilte die Beschreibung des Zionismus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit als „beleidigend und falsch“.

Ban: Verletzende und spalterische Äußerungen

UN-Generalsekretär Ban bezeichnete es als unglücklich, dass solche verletzenden und spalterischen Bemerkungen bei einem Treffen gefallen seien, bei dem es um verantwortungsvollen Führungsstil gehe. Wenn ihm die Äußerung Erdogans richtig übersetzt worden sei, sei diese nicht nur falsch, sondern stünde auch im Widerspruch zu den Prinzipien der „Allianz der Zivilisationen“, ließ Ban am Freitag über seinen Sprecher mitteilen.

Die nach den Anschlägen islamistischer Terroristen vom 11. September 2001 gegründete Allianz hat das Ziel, zu religiöser und kultureller Toleranz beizutragen.

Auch Österreich verurteilte Erdogans Äußerung: „Diese Gleichstellung ist völlig inakzeptabel“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Alexander Schallenberg, der APA. Die Aussage stehe in diametralem Widerspruch zu allem, wofür die von der Türkei mitbegründete „Allianz der Zivilisationen“ stehe.

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17 Kommentare

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  • S
    Sondermann

    @ Thomas H:

     

    Ich habe die beiden Artikel auf www.bpb.de mit großem Interesse gelesen. Sie befriedigen jedoch meine Neugier, was genau Zionismus heute ist, nicht.

     

    Prof. Brenner beleuchtet im Wesentlichen die Vorgeschichte des Zionismus bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Das ist eine völlig andere Realität als das Gemengelage im Nahen Osten heute, genügt also nicht zur Erklärung dessen, was Herr Erdogan kritisiert.

     

    Prof. Pfahl-Traughber geht weiter, bleibt jedoch in seiner Definition des aktuellen Zionismus m.E. schwammig, so als ob es keine einheitliche jüdische Nationalbewegung gegeben hätte. Die gab es sehr wohl!

     

    Im dtv-Atlas zur Weltgeschichte, Band 2, S. 340 wird der Zionismus im Kapitel *Die Juden* als Folge der Pogrome in Russland 1881/82 dargestellt. Es entwickelte sich der Verein *Chowewe Zion* (Zionsliebende). Theodor Herzl begründete 1896 mit seiner zentralen Schrift *Der Judenstaat* eine einheitliche zionistische Bewegung, die bereits 1897 auf dem ersten zionistischen Weltkongress in Basel die Schaffung einer öffentlich-rechtlih gesicherten jüdischen Heimstätte in Palästina als zionistisches Ziel verkündete. Wie ideologisch überladen diese Bewegung war und vmtl. noch ist, kann man gut bei *Leon Uris: Exodus* nachlesen.

     

    1917 sagte Lord Balfour (britischer Außenminister) dem jüdischen Volk diese Heimstätte zu. Palästina wurde 1920 britisches Mandatsgebiet. Seit 1933 verstärkte sich die jüdische Einwanderung unter dem Einfluss der Jewish Agency stark, und es kam zu immer stärkeren Kämpfen mit den Palästinensern. Durch den Holocaust stieg der Druck auf die europäischen Juden, nach Palästina auszuwandern. Die Krise explodierte 1947 im Unabhängigkeitskrieg. Palästina war für die Briten nicht mehr haltbar, die Vereinten Nationen hatten einen Teilungsplan, der aber durch den israelischen Sieg 1948 zugunsten des jüdischen Staates verändert wurde. Das Westjordanland und der Gaza-Streifen wurden zum räumlich getrennten Rest-Palästina.

     

    Nach dem 3. israelisch-arabischen Krieg 1967 geriet auch Rest-Palästina (vorher z.T. jordanisch) unter israelische Herrschaft.

     

    Diese Situation erscheint vielen Palästinensern unerträglich, deshalb bleibt der Nahe Osten m.E. ein Pulverfass. Es bleibt zu hoffen, dass von israelischer Seite bald wieder eine ernstzunehmende Friedensbereitschaft ausgeht, wie dies im Camp-David-Abkommen (1977) und dem Friedensvertrag Israels mit Ägypten (1979) möglich war.

  • KS
    Kritische Stimme

    Der Zionismus an sich ist keine Menschenrechtsverletzung aber die von Zionismus gefuehrte Politik hat alles mit Menschenrechtsverletzungen zu tun,zB. ein ganzes Volk mit 5 mio Einwohnern einfach einzusperren (Palestinenser),mit modernsten Hitech-Waffen die Palestinenser zu bombardieren,Palestinenser verhaften auf unbestimmte Zeit ohne normalen Rechtsgang,Palestinenser foltern,das Land von Palestinensern konfiskieren+vollbauen,das Wasser von Palestinensern konfiskieren,in vielen Laendern Morde austragen nicht nur an Geheimagenten sondern auch Politikern,Wissenschaftlern,Armeepersonal,Diskriminierung von Palestinensern.Die Laender die dies unterstuetzen sind natuerlich auch mitschuldig an Menschenrechtsverletzungen

  • X
    Xaxol

    Nationalistisch und rassistisch sind in Israel vor allem die eingewanderten Russen.

  • H
    Harald

    Erdo erinnert mich immer mehr an eine Kombination jener Figuren "Isnogud" und "Tunichgud" von René Goscinny.

     

    Er kann's einfach nicht besser. Seine Manöver, Kapriolen und Volten haben ihn, neben ihrem Unterhaltungswert, trefflich ins politische und diplomatische Abseits geführt. Ein kleiner Geist in selbstgefälliger Großmannspose. Peinlicher geht’s nicht.

     

    Anstatt die ihm von den USA angebotene Rolle eines vermittelnden Diplomaten für den Nahen- und Mittleren Osten einzunehmen, sah er sich, von den arabischen Massen getragen, als Anführer der Großmacht Türkei und ständiges Mitglied im UN Sicherheitsrat.

     

    Anstatt mit der vorhandenen und pragmatisch funktionierenden Achse Türkei - Israel als Friedensarchitekt Geschichte zu schreiben, zerstörte er diese Achse kurzerhand und machte sich zum Komplizen der Hamas.

     

    Ihm ist das Führen des großen Worts wichtiger als Realpolitik. Halluzinierend, solcherart zum wunderbarsten Führer aller Zeiten aufzusteigen.

  • L
    Löwe

    Es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn man die jahrelangen Bemühungen der islamischen Staaten beim UN-Menschenrechtsrat erwähnen würde, Islamkritik weltweit unter Strafe zu stellen. Mit knapper Mehrheit wurde das abgelehnt. Es ist eine Unglaublichkeit, diesen Teil der Scharia allen Menschen der Welt aufzunötigen und sie in ihrer Meinungsfreiheit einzuschränken.

     

    Was Erdogan sagte, entspringt exakt diesem Ansinnen. Nicht nur Erdogan denkt so, sondern 56 Staaten haben sich dafür eingesetzt. Warum wird das nicht einmal erwähnt?

  • B
    Benz

    @DJ

    Auch in der Türkei gibt es Nationalismus, das ist völlig richtig. Es gibt ihn so gut wie jedem Land. Das ist aber keine Entschuldigung, das macht den Zionismus keinen Deut besser, deswegen soll Zionismus nicht verharmlost oder von Kritik ausgenommen werden.

     

    @Tommy

    Gegen einen jüdischen Nationalstaat ist nichts einzuwenden. Gegen eine überkommenene Blut-und-Boden-Ideologie und einen Nationalstaat, der eine solche propagiert, aber sehr wohl.

  • U
    Ute

    Zunächst einmal liegen die Dinge einfach. Erdogan stört den jahrelangen, vom Westen bestimmten Friedensprozeß, der letztlich in einer dauerhaften Zerstreuung und Zersplitterung des palästinensischen Volkes und dessen kulturellen Vernichtung mündet, für das kein Staatsgebiet mehr, allenfalls noch das Gazalager, übrig bleiben wird.

     

    Erdogan gehört eben zu jenen, die sich fragen, was der Zionismus für die Ureinweohner und damit legitimen Besitzer Palästinas bedeutet hat. Diesen hat er eben nicht Glück, Frieden und Freiheit gebracht.

     

    Woanders hingegen betrachtet man die Palästinenser noch nicht einmal. Sie stören und störten eben, ließen sich nicht einpassen in der Vorstellung, man könne "Wiedergutmachung" und Läuterung demonstrieren, wenn man die Entmündigung, Vertreibung und Beraubung nicht in den Vordergrund stellte.

     

    Und wie nicht anders zu erwarten, blieben sich die Medien hierzulande dieser Vorstellung treu.

  • S
    Smyrna

    Wenn am 21. April dem Völkermord an den Pontusgriechen gedacht wird, wird die Türkei wieder rumstänkern.

  • S
    stroker88

    Schon klar

  • A
    aujau

    Zionismus ist eine Reaktion auf jahrhundertelange Verfolgung.

  • T
    tommy

    @Benz

     

    Man kann an Israel vieles kritisieren (Siedlungsbau etc.), aber dass Juden aufgrund ihrer historischen Erfahrungen (mit einem Massenmord, dem ein Drittel aller Juden zum Opfer fielen) zu ihrer Sicherheit einen eigenen Nationalstaat für nötig halten, ist doch irgendwie nachvollziehbar.

     

    Und jemand wie Erdogan mit seinem kruden islamistisch-chauvinistischem Weltbild, als Vertreter eines Landes, das sich seiner Minderheiten im 20. Jhdt. erfolgreich entledigt hat und bis heute dafür nicht schämt, hat sicherlich nicht die moralische Autorität, andere Staaten zu kritisieren.

  • R
    R.J

    Die USA haben schon gewußt, warum sie lieber Ban Ki-Moon haben wollten und nicht weiter Kofi Annan.

    Was heute Landgrabbing ist, war früher eben reiner Kolonialismus, oft eben auch um Siedlungsraum zu schaffen.

     

    Die einzige Kritik, die gegenüber Erdogan in dieser Sache angebracht wäre, dass dadurch die Verantwortlichkeit Großbritanniens weiterhin außen vor bleibt.

    Denn es waren die Briten, die den Einwohnern Palästinas das Selbstbestimmungsrecht vorenthielten und es mit der vagen Balfour zum Objekt der Kolonisierung machten.

  • D
    D.J.

    @Benz: "Zionismus ist eine nationalistische Blut-und-Boden-Ideologie."

     

    Was den Türken natürlich völlig fremd ist. Aber wenn ich es recht erinnere, sind Sie in diesem Bereich schon öfter durch inkompetente, ideologisch wirre Beiträge aufgefallen.

  • TH
    Thomas H

    Vielleicht sollte man Erdogan einfach mal auf das vorhandene umfangreiche Material der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zum Thema Zionismus (und Antizionismus) hinweisen:

     

    http://www.bpb.de/internationales/asien/israel/44941/was-ist-zionismus

     

    http://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37954/antizionistischer-antisemitismus

     

    Etwas Bildung kann ja bekanntlich nie schaden ...

  • IQ
    Ignaz Quadratwurzel

    Wen sollen die Äußerungen Erdogans verstört haben? Die Protestierer leugnen und blenden die Zwangsläufigkeit aus, die den Zionismus. d.h. die Kolonisierung Palästinas, zu einem Verbrechen an dem palästinensischen Volk machen musste.

     

    Und es ist bezeichnend, dass der Protest oft auch aus jenen Staaten kommt, die sich ihres Antisemitismusses „rühmen“ können.

  • GW
    Gespanntes Warten

    Was wird wohl die Türkei-Kennerin Claudia Roth sagen?

  • B
    Benz

    Zionismus ist eine nationalistische Blut-und-Boden-Ideologie.