Türkischer Ex-Präsident und Putschist: Kenan Evren ist tot
Erst stoppte er Kämpfe, die sein Land an den Rand des Bürgerkriegs gebracht hatten, dann ließ er foltern. Kenan Evren ist eine der umstrittensten Personen der Türkei.
ANKARA dpa/ap/taz | Der frühere türkische Präsident und Putschist Kenan Evren ist tot. Er sei in der Nacht zum Sonntag in einer Klinik in der Hauptstadt Ankara gestorben, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Todesursache sei Organversagen. Kenan Evren starb im Alter von 97 Jahren.
Evren wurde zur Zeit des Putsches vor dreieinhalb Jahrzehnten als Held gefeiert. Damit hatte er Kämpfe zwischen rechten und linken Kräften beendet, die sein Land an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht und rund 5000 Menschen getötet hatten. Später wurde er wegen der Folter von ehemaligen Aufständischen und ihren Unterstützern und der Einführung einer freiheitsbeschränkenden Verfassung, die die Rolle des Militärs in der Politik verfestigte, zu einer der umstrittensten Personen der Türkei.
Der frühere General war der Anführer des Militärputsches von 1980. Evren schickte am Morgen des 12. Septembers 1980 Panzer auf die Straßen, um so die zivile Regierung des Ministerpräsidenten Süleyman Demirel von der Macht zu verdrängen. Es handelte sich um den dritten Putsch in der Türkei seit 1960. Nach einem Volksreferendum wurde 1982 die neue Verfassung eingeführt. Von 1982 bis 1989 war er Präsident der Türkei. Unter Evren hatte das Militär 1980 das Kriegsrecht verhängt. Etwa eine halbe Million Menschen wurde damals festgenommen, hunderte wurden gefoltert und starben im Gefängnis, Dutzende wurden außergerichtlich hingerichtet. Die Verfassung wurde ausgesetzt und später neu geschrieben. Politische Parteien waren über Jahre verboten.
In einem vom früheren Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan initiierten Verfassungsreferendum im Jahr 2010 wurde eine Amnestie von Putsch-Anführern abgeschafft. Vergangenes Jahr wurden Luftwaffenchef Tahsin Sahinkaya und Evren wegen Verbrechen gegen den Staat zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Er war der erste türkische General, der strafrechtlich wegen eines Coups belangt wurde. Evren war zu gebrechlich, um an dem Prozess teilzunehmen, und sagte deshalb in seinem Krankenhausbett liegend aus. „Wir taten, was zu dieser Zeit richtig war und wenn es heute passiert wäre, würden wir wieder einen Putsch ausführen“, sagte er.
Evren war laut Anadolu seit März 2012 in medizinischer Behandlung. In den vergangenen Tagen habe sich Evrens Zustand verschlechtert, Samstagnacht sei er für tot erklärt worden.
Seine letzten Lebensminuten verbrachte Evren im Gata-Militärkrankenhaus in der Hauptstadt Ankara. Stunden vor seinem Tod wurde er laut Anadolu an Beatmungsgeräte angeschlossen und seine Familie in die Klinik gerufen. Er hinterlässt drei Töchter.
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