: Türkische Hausse
■ McCASH FLOWS ORAKEL
Nicht ein Ereignis, das bereits stattgefunden hat, sondern eines, das stattfinden könnte, zählt an der Börse - dieser Antizipations-Mechanismus war in den letzten Tagen an der bundesdeutschen Börse wieder einmal wirksam: Als vor zwei Wochen über die Diskontsatzerhöhung der Bundesbank gemunkelt wurde, sackten die Aktienkurse deutlich ab, als dann der Leitzins am vergangenen Donnerstag um ein ganzes Prozent erhöht wurde, kam es zu einem starken Aufschwung des Aktienmarkts, der zu Beginn dieser Woche noch an Fahrt gewonnen hat. Verantwortlich gemacht für den guten Börsenwind werden jetzt vor allem ausländische Investoren: die Leitzins-Erhöhung hat den Aufwertungsdruck auf die D -Mark verstärkt und von der Neuanpassung der Wechselkurse versprechen sich die ausländischen Anleger einen Währungsgewinn - zusätzlich zu den Kurssteigerungen, die sie am Aktienmarkt offenbar erwarten. Zu den Favoriten zählt dabei VW, deren Gewinnschätzungen von einem englischen Analyse-Team nach oben revidiert wurden und die Aktie am Montag auf einen Schlag um 18,20 DM vorpreschen ließen. Spezialwerte der boomenden Baubranche wurden weiterhin gesucht, Heidelberg Zement schossen am Montag um 100 DM (fast zehn Prozent) nach oben. Ähnlich wie in Deutschland scheint das sich näherende Crash-Jahrestag am 19. Oktober auch international derzeit niemandem groß Angst zu machen. Den höchsten Börsenstand aller Zeiten. Und auch das Dow -Jones-Thermometer in Wallstreet marschiert derzeit eher auf die magischen 3.000 als auf die von Crash-Propheten befürchteten 1.500 Index-Punkte. Im direkten Vergleich der Weltbörsen und ihres Abschneidens seit Januar 1989 liegen freilich die Exoten vorne: die Börse in Istanbul kletterte allein im Monat September um 80 Prozent, seit Jahresbeginn haben türkische Aktien 294 Prozent hinzugewonnen, es folgen auf Platz zwei die Börse Wien mit einem Plus von 115 Prozent und die Aktien in Taiwan, Thailand und Mexiko, die sich im Wert etwa verdoppelten, sowie die Börse in Griechenland (plus 88 Prozent) und Portugal (53 Prozent).
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