Tschechiens Regierung gestürzt: Vaclav Klaus als lachender Dritter
Beim Fall der Regierung Topolanek zieht Präsident Václav Klaus die Fäden im Hintergrund und instrumentalisiert die Opposition.
PRAG taz Sieger sehen anders aus: Ungewohnt wortkarg und nervös stellte sich Jirí Paroubek am Dienstagabend der Öffentlichkeit. Dem sozialdemokratischen Oppositionsführer war gerade ein Husarenstück gelungen. Wirtschaftskrise und EU-Ratspräsidentschaft zum Trotz hatte er die Regierung gestürzt. Ein Augenblick, auf den Paroubek über zwei Jahre und fünf Misstrauensvota hinweg geträumt hat. Doch als 101 der 200 Abgeordneten gegen die Mitte-rechts-Regierung votierten, wirkte Paroubek überrascht, fast erschrocken.
Ganz anders der unterlegene Ministerpräsident Mirek Topolanek. Gut gelaunt und scherzend plante er für die Zukunft. "Ich nehme diese Abstimmung zur Kenntnis und werde mich verfassungsgemäß verhalten", sagte er nach seinem Sturz. Mit dem habe er nämlich sowieso gerechnet. Allerdings, so räumte Topolanek ein, es sei "ein Schritt, der nichts bringt und nichts löst. Er stürzt das Land ins Chaos." Die Ratspräsidentschaft werde trotz des herben Imageverlusts erfolgreich weitergeführt. "Natürlich kann unsere Verhandlungskraft geschwächt werden", räumt Topolanek mit Blick auf EU-Ratspräsidentschaft ein. "Aber unser Staatsapparat ist so gut vorbereitet, dass wir es schaffen werden", sagt er.
Sobald seine Pflichten es ihm als EU-Ratspräsident erlauben, werde er bei Präsident Václav Klaus seinen Rücktritt einreichen, sagte Topolanek. Der Gang auf die Prager Burg wird für den 52-Jährigen kein leichter sein. Hatte doch Präsident Klaus seiner Antipathie gegen Topolanek und dessen Regierungskoalition aus Bürgerdemokraten (ODS), Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen erst am Wochenende wieder Ausdruck verliehen. "Diese Regierung ist nicht meine liebste", hatte Klaus beim Parteitag der oppositionellen Sozialdemokraten unter tosendem Applaus erklärt. Vor allem missbilligt er Topolaneks Plan, den Lissabon-Vertrag zu unterstützen.
Dennoch erwartet Topolanek, dass der Präsident ihn nun erneut mit der Regierungsbildung beauftragen wird. Das, so der geschasste Ministerpräsident, wäre nur verfassungsgemäß. Immerhin bliebe er, Misstrauen hin oder her, Vorsitzender der größten parlamentarischen Fraktion. Und: "Falls der Präsident jemand anderen mit der Regierungsbildung beauftragt, dann öffnet er den Kommunisten die Tür zur Macht", sagt Topolanek. Nur: Ohne die Kommunisten wird das Regieren weiterhin schwer sein. Auch im Jahre 20 nach der "Samtenen Revolution" ist die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens ein wichtiger Player auf der politischen Bühne. Mit 26 von 200 Abgeordneten stellen die Genossen, die bislang jedem innerparteilichen Reformversuch gegenüber immun waren, die drittstärkste Parlamentsfraktion. Ohne sie verliert Jirí Paroubek die Mehrheit, mit der er die Regierung am Dienstag stürzen konnte. Und mit ihnen verliert der Sozialdemokrat sein Gesicht.
Kein Wunder also, wenn der Sturz der Regierung bei Paroubek eher Nervosität als Glücksgefühle auslöste. Langsam wird ihm klar, dass er sich in seiner Gier nach Macht und Revanche für die knappe Wahlniederlage vom Juni 2006 hat instrumentalisieren lassen. Vielleicht erkennt er nun, wer als lachender Dritter hinter dem Sturz der Regierung stehen könnte: Präsident Václav Klaus.
Es war Klaus, nicht Paroubek, der die beiden rebellischen ODS-Abgeordneten Vlastimil Tlusty und Jan Schwippel dazu brachte, in der Vertrauensfrage gegen die Regierung zu stimmen. Klaus ist der Einzige, der Nutzen aus dem Prager Regierungssturz ziehen könnte. Auf dem Spiel steht die Zukunft der Europäischen Union.
Just zu diesem Zeitpunkt liegt die nämlich in den Händen tschechischer Senatoren. Sie müssen in den kommenden Wochen den Vertrag von Lissabon ratifizieren. Je schwächer Topolanek, so die Rechnung des Lissabon-Gegners Klaus, desto höher die Chance, dass die ODS-Senatoren im Senat gegen Lissabon stimmen werden. Ohne die Stimmen euroskeptischer ODS-Senatoren wird es schwer sein, die erforderliche Dreifünftelmehrheit für Lissabon aufzubringen. "Klaus musste Topolanek loswerden, um eine Chance zu haben, Lissabon zu kippen", meint ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter. Und seufzt. "Ich frage mich nur, ob die Sozialdemokraten wissen, was sie tun."
SASCHA MOSTYN
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