: Tschadsee bald nur noch eine Pfütze
Der afrikanische Wüstensee ist enorm geschrumpft. Nicht nur Fischer verlieren Einkommensquelle. Rettung zu teuer
GUITÉ taz ■ Zuckerrohr wird aus einem zehn Meter langen Holzboot zum Ufer getragen. Halbnackte Kinder streiten sich um den Abfall der Süßigkeit. Es ist die einzige Aktivität im Hafen von Guité am Südufer des Tschadsees. „Früher fing hier das Wasser an und reichte bis zum Horizont,“ sinniert Dorfchef Algoni Udar. „Ich erinnere mich, wie nach viel Regen das Wasser bis zu unserem Haus reichte, ein Kilometer landeinwärts.“ Heute sind bis zum Horizont nur einige grüne Sträucher zu sehen, die aus untiefem Wasser ragen.
Der Tschadsee an der Länderecke von Tschad, Niger, Nigeria und Kamerun gleicht mehr einem Sumpf als dem Megasee von 350.000 Quadratkilometern, der er einst war. In den 60er-Jahren war er noch 25.000 Quadratkilometer groß. Inzwischen ist er auf 2.000 Quadratkilometer geschrumpft. Wissenschaftler geben der weltweiten Klimaveränderung die Schuld: Sie habe seit den Siebzigerjahren zu einer Abnahme des Regenfalls in der gesamten Sahelregion geführt. Gleichzeitig wuchs der Wasserbedarf der schnell wachsenden Bevölkerung. Bäume wichen Ackerland, die Viehherden der Hirtenvölker rund um den See wurden immer größer.
Die Einwohner von Guité versuchen sich so gut wie möglich anzupassen. Algoni Udar: „Die meisten von uns sind Fischer, aber davon können wir nicht mehr leben. Darum versuchen wir unser Glück mit Ackerbau und Viehzucht. Aber auch dafür ist Wasser nötig“.
Musa Ouma hingegen versucht sich, mit Gummiarabikum ein zusätzliches Einkommen zu verdienen. Tschad ist weltweit der zweitgrößte Lieferant dieses Produkts, das bei der Herstellung von Kaugummi, als Konservierungsmittel für Wein und Fruchtsäfte und auch von Coca-Cola verwendet wird. „Die Bäume brauchen kaum Wasser, und jährlich verdiene ich damit 300 Euro“, freut sich der Mann. Das Durchschnittseinkommen liegt bei 200 Euro.
Der Tschadsee wird damit nicht gerettet. Trocknet er aus, sind davon 20 Millionen Menschen betroffen. Die Anrainerstaaten Tschad, Nigeria, Niger und Kamerun besitzen jeder ein Stück des Sees, dessen Zuflüsse zumeist in der Zentralafrikanischen Republik entspringen. Schon in den 80er-Jahren gründeten sie die „Entwicklungsbehörde des Tschad-Wasserbecken“ (CBDA).
Aber das Vertrauen der Bevölkerung in diese Organisation ist gering. Anfang der 90er-Jahre legte die CBDA mit den Bauern rund um den See Bewässerungsgräben an. Als die Gräben fertig waren, blieben sie trocken, weil der See zwischenzeitlich wieder geschrumpft war.
Die fünf Länder veröffentlichen immer noch Absichtserklärungen über die Zukunft des Sees, nur: Praktische Aktionen bleiben aus. Es fehlt an finanziellen Mitteln. „Aber auch an politischen Willen“, meint Delphine Kemneloum Djiraibé von der tschadischen Menschenrechtsorganisation ATPDH. „Kamerun, Nigeria und Tschad sind Ölproduzenten, und auch in Niger und der Zentralafrikanischen Republik ist die Ölsuche im Gange. Das finden die Regierungen viel interessanter.“
Trotzdem hat die Regionalorganisation CBDA Pläne für den See, wie Direktor Wakil Bukar erklärt. „Es wäre möglich, Wasser aus dem Kongo-Fluss umzuleiten – über den Schari-Fluss, der aus der Zentralafrikanischen Republik in den Tschadsee fließt.“ Dafür müsse im Kongo ein Staudamm gebaut werden und eine Pumpanlage. Aber auch er muss gestehen, dass das eine sehr teure Lösung wäre, deren Erfolg und ökologische Wirkung völlig unklar sind.