Trump gegen Harris : Die reaktionäre Revolution
Mit dem „Project 2025“ wird die reaktionäre Wende durch eine Trump-Präsidentschaft geplant, die das Ende des Westens bringen soll. Gibt es eine Antwort darauf? Unser Kolumnist Udo Knapp ist sich da nicht so sicher.
taz FUTURZWEI | Kamala Harris hat Hoffnung ausgelöst. Frau, schwarz, mit einem Juden verheiratet, ausgestattet mit einem Selbstbewusstsein und einem Lachen, das ansteckt, unser schwer zu ertragender politischen Alltag plötzlich aufgehellt – geht da doch was?
Auf einmal erscheinen manchen die gefährdete Demokratie und die ökologische Zivilisationskrise nicht mehr nur als Bedrohungen, sondern als politisch bewältigbare Zukunftsaufgaben. Fühlt sich ein bißchen an, wie Angela Merkels „Wir schaffen das“, sich – anfangs – anfühlte.
Aber jetzt kommt das aber: Ist das Hoffen darauf, dass es auf demokratischen Wegen, in Frieden und mit Einsicht in das Notwendige vorwärts geht in eine nachfossile Menschengemeinschaft nicht doch nur eine Luftnummer?
Ängstliche liberale Demokratien
Trump, Putin, Xi und all die anderen populistischen Autokraten, die mit Krieg und Terror oder dem Missbrauch demokratischer Handlungsräume hantieren, sind offensiver und aggressiver geworden. Sie nutzen die „Krise der spätmodernen Gesellschaft in ihrer doppelten Unhaltbarkeit der bestehenden Ordnung“ für ihre Ziele, wie Ingolfur Blühdorn in der FAZ schreibt.
Da ist einerseits die instabile, ängstliche und ihre Feinde gewähren lassende liberale Demokratie und andererseits das Scheitern des „ökoemanzipatorischen Reparaturprojektes“.
Beides, „die Hoffnung auf Sicherung der Demokratie als auch auf die ökologische Transformation, ist zerplatzt. Damit wird aber die aktuell gelebte Ordnung der Nicht-Nachhaltigkeit nicht wieder haltbar. Vielmehr ist auch das Projekt der Konservativen und der bürgerlichen Moderne erschöpft. Genau das ist der Abgrund, in dem wir leben. Mit unhaltbaren Narrativen versuchen Grüne und Konservative diesen Abgrund zu überdecken“. Der Abgrund zeigt schon sein Gesicht. Demokratie wird ersetzt durch eine „Herrschaft der Stärkeren“, schreibt der Politikwissenschaftler Blühdorn.
Nixon, Reagan, Trump
So „weird“, so verrückt Trumps Auftritte auch sein mögen, anders als am Beginn seiner Präsidentschaft 2017 hat er diesmal ein Regierungsprogramm. Die Republikaner stehen geschlossen hinter ihm. Er hat eine gläubige Gefolgschaft in einer gespaltenen Gesellschaft.
Sein Regierungsprogramm hat die Heritage Foundation vorgelegt, der nationalistisch-konservative Thinktank der USA, wie schon 1969 für Nixons verbrecherische Präsidentschaft und 1980 für Ronald Reagan. Es nennt sich „2025 Presidential Transition Projekt“ und soll die Exekutive der Regierung radikal verändern.
Statt wie bisher 4.000 Spitzenbeamte bei Beginn der Präsidentschaft sollen nach einem Sieg von Trump 50.000 Regierungsangestellte durch Trumpisten ersetzt werden. Das Justizministerium soll um ein Drittel verkleinert, das FBI und das Heimatschutzministerium, das amerikanische Innenministerium aufgelöst, die Zuständigkeit für Handels- und Bildungsfragen in die freie Verfügbarkeit der Bundesstaaten übergeben werden.
taz FUTURZWEI – das Magazin, Ausgabe N°30: Wer ist das Volk? – Und warum ist Rechtspopulismus so populär?
Warum der Rechtspopulismus global und in Ostdeutschland so erfolgreich ist, können wir analysieren. Wie man ihn bremsen kann, ist unklar.
Diesmal im Heft: Jens Balzer, Ines Geipel, Jagoda Marini , Maja Göpel, Aladin El-Mafaalani, Thomas Krüger, Yevgenia Belorusets, Danyal Bayaz und Harald Welzer. Veröffentlichungsdatum: 10. September 2024.
Radikale autoritäre Wende rückwärts
Die Handlungsfreiheit des Präsidenten ist schon jetzt durch die vom Supreme Court bestätigte Immunität für alle Handlungen während seiner Amtszeit erweitert worden. Elf Millionen Einwanderer sollen deportiert, die gleichgeschlechtliche Ehe soll abgeschafft, Abtreibung verboten werden. Klimapolitik soll aufgegeben werden. Das „Climate Policy Office“ im Weißen Haus soll aufgelöst, der Environmental Protection Agency (EPA) sollen fast alle Zuständigkeiten entzogen werden.
Die Förderung für nichtfossile Energien und die eingeleitete ökologische Transformation der Industrie sollen aufhören, die Gas und Öl- Förderung wieder hochgefahren werden. Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft wieder freigegeben, Steuern für Unternehmen gesenkt und soziale Programme gekürzt werden.
Dieses „Projekt 25“ soll die Blaupause für eine „ Zweite amerikanische Revolution“ sein, eine radikale autoritäre Wende rückwärts. Das entspricht der Linie, die von Orban, Meloni und Milei bis zu den populistischen Bewegungen in den westlichen Demokratien verfolgt wird. Zentraler Punkt: Der Umbau der rechtstaatlichen Demokratie in eine autokratische Herrschaft wird mit der Rücknahme jeder ökologischen Klimapolitik verbunden.
Braucht es eine militärische Antwort?
Es ist kein Zufall, dass die Autokratien in Russland und China, ebenso wie die terroristischen, fundamentalreligiösen Regime im Nahen Osten die Partner aller Populisten im Westen sind.
Was allerdings erstaunt, ist, dass in den westlichen Demokratien die historische Tatsache verdrängt wird, dass die USA ihren Erfolgskurs als freiheitlicher Verfassungsstaat des Westens erst mit dem blutigen Sezessionskrieg von 1861 bis 1865 aufnehmen konnte, in dem die Abschaffung der Sklaverei besiegelt wurde. Ebenso verdrängt wird, dass Demokratie und Menschenrechte für ganz Europa 1789 auf den Barrikaden der Französischen Revolution erkämpft wurden.
Das will kaum jemand hören, aber man muss sich ernsthaft damit beschäftigen, ob es sein kann, dass es eine militärische Antwort auf diese heraufziehende „Zweite Amerikanische Revolution“ brauchen wird, damit die westliche Demokratie vor ihrem weltweiten Niedergang bewahrt werden kann. Man muss sich fragen. Sind der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der Versuch der Terroristen unter Führung der Ayatollahs, Israel zu vernichten, bereits Zeichen der weltweiten Wirkung dieser reaktionären Revolution?
Überlebenskrise europäischer Demokratien
Klimapolitik ist Demokratiepolitik für eine friedliche, freiheitliche Zukunft der Weltgesellschaft. Dieser immer deutlicher hervortretende Zusammenhang ist im politischen Alltag der westlichen Demokratien nicht präsent.
Das aggressive Grünen-Bashing in der Bundesrepublik, der Versuch, damit Klimapolitik zu marginalisieren, ohne dass CDU und SPD auch nur den Versuch unternehmen, einen eigenes nichtfossiles Zukunftsbild zu entwerfen, ist ein Hinweis darauf, dass sie damit kokettieren, diesen Zusammenhang genauso zu ignorieren wie das „Project 25“.
Das ist umso beunruhigender, als die angepeilte „Zweite Amerikanische Revolution“ nicht nur bei einem Sieg Trumps, sondern auch bei seiner Niederlage in einen Zweiten Bürgerkrieg führen kann.
Das würde – ungeachtet des Ausgangs – die Demokratien in Europa in eine Überlebenskrise treiben. Stand heute ist nicht erkennbar, ob die demokratischen Eliten in Europa bereit und in der Lage wären, das zu überstehen.
■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.