Trüber Ausblick für Soli-Gruppen

Das Kölner Bundestreffen der Nicaragua-Solidaritätsbewegung nach dem Machtwechsel Trotz, Perspektivlosigkeit und Angst vor dem Zusammenbruch der Solidaritätsarbeit  ■  Aus Köln Werner Balsen

Als sich drei Wochen nach den Wahlen in Nicaragua über 400 AktivistInnen in Köln zum alljährlichen Bundestreffen der Mittelamerika-Gruppen trafen, waren Ratlosigkeit und Resignation deutlich spürbar. Nach zweitägigen Debatten hatten sich die TeilnehmerInnen mit einem trotzigen „jetzt erst recht“ Mut gemacht: „Als Solidaritätsbewegung werden wir zukünftig die FSLN und die revolutionären Volksorganisationen unterstützen“, heißt es in der Abschlußresolution des Bundestreffens. „Es kann von der Solidaritätsbewegung keine Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen geben, auch nicht in den Bereichen sogenannter humanitärer Projekte...“ Rainer Riechmüller vom Nicaragua -Verein in Hamburg verdeutlicht: „Nichts gegen humanitäre Hilfe. Aber arme Leute gibt es überall in der 'Dritten Welt‘. Wir haben die Hilfe als Unterstützung des revolutionären Systems in Nicaragua verstanden. Die ist jetzt nicht mehr möglich, da wir mit einer Projektarbeit den Vereinten Nationen ihre Arbeit abnehmen würden.“

Die Sandinisten haben bereits regierungsunabhängige Organisationen gegründet, an die künftig Solidaritätsgelder fließen können. Einige bundesdeutsche Initiativen haben ihrerseits die Operationsverträge mit den Verwaltungsstellen in Nicaragua aufgekündigt, die ab jetzt von der UNO besetzt werden. Die neuen Verträge laufen jetzt etwa über die in Managua gegründete „Stiftung für Kommunalentwicklung“, die dafür bürgt, „daß jede Hilfe auch direkt der Bevölkerung zugute kommt.“ Nicht so einfach aufkündigen lassen sich die Verträge über Partnerschaften zwischen bundesdeutschen und nicaraguanischen Städten. Zum einen haben viele Partnerschaftsinitiativen hierzulande konservative sozialdemokratische Stadträte gerade mit dem Argument der notwendigen humanitären Hilfe überzeugt. So ist es schwierig, den Stopp dieser humanitären Unterstützung zu fordern. Zum anderen ist innerhalb der Solidaritätsbewegung die Diskussion über das generelle Für und Wider solcher Partnerschaften noch keineswegs abgeschlossen. Es fragt sich, ob die Städtepartnerschaftsvereine aus der vage formulierten Aufforderung des Kölner Bundestreffens in den Kommunalverwaltungen hierzulande „politisch zu polarisieren“, dieselben Schlüsse ziehen. In Köln, beim Verein für die Partnerschaft der Komstadt mit Corinto/El Realejo, wo fast zwei Drittel für die UNO stimmten, heißt es: „Wir sind nicht für die Aufkündigung der Partnerschaft. Aber wir legen Wert darauf, wenn der Oberbürgermeister nach Nicaragua fährt, daß da nichts laufen darf, was der UNO politisch nützt.“

Neben den Problemen, konkrete Projekte fortzuführen, umzuwidmen oder ganz abzubrechen, zeichnen sich für die Zukunft der Nicaragua-Solidarität zwei generelle Schwierigkeiten ab: Nach dem Machtverlust der Sandinisten wird die Lage in dem mittelamerikanischen Staat unüberschaubarer. In der Geschichte der bundesdeutschen Solidaritätsbewegung gibt es Beispiele dafür, daß die Reihen der AktivistInnen sich in solchen Momenten gelichtet haben. Ähnliche Befürchtungen äußert Michaela Schuh von der Kölner Nicaragua-Koordination: „Gerade bei der Nicaragua -Solidarität haben sich viele wegen der positiven Utopie engagiert, hinter der sogar eine Regierung stand. Ich kann mir schon vorstellen, daß solche Leute jetzt die Motivation verlieren.“ Diejenigen, die sich dennoch weiter für Nicaragua engagieren, stehen spätestens seit den Umbrüchen in Osteuropa vor einem weiteren Problem. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Gabi Gottwald, sagte dazu auf dem Bundestreffen in Köln: „Es wird zunehmend mehr Leute geben, die dafür eintreten, sich mit dem kapitalistischen System zu arrangieren.“ Um so schwieriger werde es, den Leuten klarzumachen, daß der Kapitalismus für den größten Teil der Menschen in Zentralamerika keine Lösung sein kann. Gabi Gottwald weiter: „Die Frage ist nur, ob uns überhaupt noch jemand zuhören wird.“