Trotz elf Spielen in 33 Tagen: HSV nicht totzukriegen
Der Hamburger SV absolviert einen Spielemarathon, beklagt etliche Verletzte und ist trotzdem im Titelrennen - auch dank Paulo Guerrero, den die Affäre um seinen Vermittler kaltlässt.
Grundsätzlich ist Martin Jol eher ein skeptischer Mann. Überschwänglich hat man den Trainer des HSV bisher nicht erlebt, der Holländer ist Realist und kalkuliert stets auch mit der Möglichkeit einer Niederlage. Vor dem 2:1-Sieg seiner Hamburger beim FC Schalke 04 war er sogar von einem Rückschlag überzeugt, nachher sagte er, "das hätte ich wirklich nicht erwartet, das ist einmalig". Seine Mannschaft hat in Gelsenkirchen das elfte Spiel in 33 Tagen bestritten, sie ist vom Verletzungspech gebeutelt, "wir mussten bereits elf verschiedene Verteidiger einsetzten", berichtete Jol, für das Spiel auf Schalke waren die treffsicheren Stürmer Mladen Petric (Muskelfaserriss) und Ivica Olic (Grippe) ausgefallen. Doch es findet sich immer ein passender Ersatz. Den Job des Schützen übernimmt derzeit Paulo Guerrero. Der Peruaner erzielte beide Treffer für die Hamburger (70., 74.).
Schon am vorigen Donnerstag in Istanbul hat er zwei wichtige Tore zum 3:2-Sieg und dem Einzug ins Viertelfinale des Uefa-Cups beigesteuert. "Paulo hat schon immer hart gearbeitet, zur Zeit hat er auch den Punch", sagte Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer und erklärte die zweite Märzhälfte kurzerhand zu den "Guerrero-Festwochen".
Abgekämpft trat der Held der Woche vor die Journalisten und wies alle Lobeshymnen höflich von sich. "Das ist der Lohn für die Mannschaft, die Mannschaft arbeitet für die Stürmer und die Stürmer müssen die Tore machen", sagte er mit dünner Stimme. Er sei einfach nur "froh, dass jetzt die Länderspielpause" ansteht. Der 25-Jährige, der laut Beiersdorfer "auf dem Zahnfleisch geht", kann Kraft sammeln für den Endspurt der Saison, in dem der HSV tatsächlich noch die Möglichkeit hat, drei Titel zu gewinnen. "Alles ist möglich jetzt", sagte Guerrero, der ja eigentlich auch Nationalspieler ist, derzeit aber eine Sperre absitzt. Daraus ergibt sich nun nicht nur die günstige Gelegenheit, sich mal richtig zu erholen, Guerrero bleibt auch die Reise in ein völlig aufgeregtes Fußballland erspart.
Seit Fiorella Faré 4.000 Dokumente des führenden peruanischen Spielerberaters Carlos Delgado, mit dem sie einmal verheiratet war, in ihren Besitz gebracht und öffentlich gemacht hat, beherrscht sie die Titelseiten der nationalen Zeitungen. Steuerhinterziehung, Geldwäsche und andere Vorwürfe stehen im Raum. Delgado ist auch Guerreros Agent, bei den Wechseln des Stürmers sind hohe Beträge an den Spielervermittler geflossen.
Im Gegensatz zu seinem Nationalmannschaftskollegen Claudio Pizarro, der an Delgados Firma Imgas S.A. beteiligt ist, werden Guerrero allerdings keine illegalen Geschäfte zur Last gelegt. Dennoch war am Wochenende in der SZ zu lesen, dass Guerrero im Jahr 2005 beim FC Bayern 50.000 Euro Gehalt im Monat erhielt, beim HSV nachher eine Million im Jahr. Und dass die Image S.A. bei den Transfers mitkassiert habe, und zwar nicht an ihrem Sitz Peru, sondern "bei der gleichnamigen Briefkastenfiliale im Steuerparadies Panama oder via Banken in Miami oder auf den Bahamas".
Am Sonntagabend wollte der erschöpfte Guerrero sich nicht zu dieser Geschichte äußern, er ist ohnehin nur eine Randfigur, und seinen Leistungen ist die Affäre nicht abträglich. Guerrero will im Gegensatz zu Pizarro nach einigen Jahren in Europa zurück ins Heimatland, er hat die Bodenhaftung behalten. "Ich bin halt richtiger Peruaner geblieben", sagte der Fußballer, auch wenn er weiß, dass er dort niemals ein normales Leben führen kann. Erst recht nicht, wenn er in diesem Jahr tatsächlich in Europa einen Titel gewinnt.
"Dafür bin ich zum Hamburger SV gekommen", hatte Paulo Guerrero nach seinem Wechsel von Bayern München nach Hamburg im Jahre 2006 erklärt und dabei ein wenig größenwahnsinnig geklungen. Mittlerweile klingt das aber gar nicht mehr so abwegig.
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