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Trotz Widerstand des VerfassungsschutzesAram A. darf Deutscher werden

Der 20-jährige Syrer Aram A. wird gegen den Widerstand des Verfassungsschutzes in Hannover eingebürgert.

Aram A. bekommt nun doch einen deutschen Pass. Die offizielle Einbürgerungsfeier ist für den 31. März angesetzt. Bild: swdm/photocase.com

Aram A. bekommt nun doch einen deutschen Pass.Der 20-jährige Syrer, der im Jahr 2000 mit seinen Eltern vor politischer Repression nach Deutschland geflohen war, sollte auf Druck des niedersächsischen Verfassungsschutzes nicht eingebürgert werden. Aram A. sei, so das Urteil des Verfassungsschutzes in Hannover, eine "Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung", weil er Mitglied der DKP-nahen "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" SDAJ ist. Die SDAJ ist nicht verboten und von der Stadt Hannover als gemeinnützige Organisation anerkannt.

Der CDU-Innenminister Uwe Schünemann war wegen der Praxis, gut integrierte Migranten die Einbürgerung zu verweigern, politisch unter Druck geraten. Im Fall der früheren Jusochefin in Hannover, Jannine Menger-Hamilton, die 2007 zur Linkspartei gewechselt war, verstrickte sich Schünemann in Widersprüche. Seine Behauptung, von dem Fall nichts gewusst zu haben, musste er kleinlaut revidieren. Der SPD-Regionspräsident in Hannover hat Menger-Hamiltons Einbürgerung nun gegen Schünemanns Widerstand beschlossen. Auch FDP-Politiker und rechte Sozialdemokraten hatten Schünemanns Einbürgerungspraxis als willkürlich kritisiert.

Auch im Fall Aram A. hat sich nun die SPD-regierte Stadt Hannover über die Einsprüche des Verfassungschutzes hinweggesetzt. Offenbar war SPD-Oberbürgermeister Stephan Weil bei der Entscheidung direkt beteiligt. Weil sagte, dass "politisches Engagement im verfassungsmäßigen Rahmen kein Grund ist, von einer Einbürgerung Abstand zu nehmen". Aram A.war Schülersprecher, Mitglied des Landesschülerrates und Mitorganisator einer Demo gegen Rechtsextreme. Er sagte der taz, er freue auf seine Einbürgerung, die zwei Jahre immer wieder verzögert worden war. "Der öffentliche Druck", so Aram A., habe "dabei eine große Rolle gespielt." Die offizielle Einbürgerungsfeier ist für den 31. März angesetzt.

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10 Kommentare

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  • KW
    Kurt W. Fleming

    Daß einige Politiker Schünemanns Praxis als eine Willkürliche ansehen, übersieht absichtlich Schünemanns skrupellosen Antikommunismus.

    Schünemann wäre nicht Mitglied der CDU, wäre er freundlich gegenüber ideal integrierten Ausländern.

    Kommunistenhatz war schon immer eine staatstragende Tradition in deutschen Landen. Das haben wir seit Mitte des 19. Jahrhunderts.

    Marx läßt grüßen: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet". (Manifest der Kommunistischen Partei, Werke Band 4, S. 461)

     

    Kurt W. Fleming, Leipzig

  • DG
    die Grande

    "Rechte" werden einfach eher geduldet als "Linke".

    Das ist leider so in diesem Land. Könnte man meinen, wenn man zu oft in die Taz schaut.

    Es gibt halt immer schwarze Schafe. Leider Zuhauf in der Politik deutschlands. Die alteingesessenen Nazis haben eben Angst, dass junge engagierte Ausländer frischen Wind in die verkalkten parlamentarischen Adern bringen. Es ist eine Zeit der Entscheidungen.

    Leider und zum Glück kann noch alles werden aus unserem Land. Geschichte muss sich nicht zwangsläufig wiederholen.

  • E
    Eser

    Demnächst müssen wir eine neue Kategorie einführen: der Mitten-Extremismus. Gleiche Symptome wie beim rechts- und Linksextremismus: Rechthaberei und Ab-erkennung jeglicher Rechte für Menschen anderer Gesinnung.

  • H
    Hafize

    Ich finde es geradezu spektakulär, wenn in der Musterdemokratie geheime, auf nicht offenem Wege gewonnen Informationen benutzt werden, um die Einbürgerung eines Immigranten zuverweigern. Das ist nichts anderes, als das, was in Arams Heimat nämlich gängie Praxis ist. Vielleicht ist Niedersachsen näher an Damaskus als an Karlsruhe?

  • I
    Ivan

    die frage is doch eigendlich ob solcher macht missbrauch im amt nich konsekuenzen haben sollte und der herr Uwe Schünemann nicht mal des amtes enthoben werden sollte, da er doch gegen geltendes recht verstößt.....

  • A
    adriano

    Liebe Marianne,

    ich behaupte, du nimmst die "radikalen gesinnungen" nur als anlass für deine Fremdenfeindlichkeit, die ich dir unterstellen möchte. Es hört sich nach der altbekannten, nichtreflektierten Einstellung an, die sich in diesem Satz ausdrücken lässt: "du darfst hier bleiben, wenn du so konform bist wie wir".

     

    Die SDAJ mag radikale Ansichten und Gesinnungen haben, doch sind diese nicht nur Ausdruck der hier existierenden Meinungsfreiheit sondern auch Ausdruck des Unwillens ganz vieler Menschen in unserem Land, die nicht sich dem gängigen System eingliedern wollen sondern nach Alternativen suchen. Das ist angesichts der aktuellen Missstände leicht verständlich.

    Damit will ich sagen, radikale Ansichten sind an sich nichts schlechtes, es sei denn, die Methoden sind auch radikal und destruktiv.

     

    Schließlich möchte ich dir auch vorwerfen, dass du völlig Arams beachtliches Engagement ignorierst, das ein Indiz dafür ist, dass er sich angepasst innerhalb der Strukturen und Gremien bewegt und agiert, und dass er damit eben kein ideologisch verblendeter und gesellschaftsgefährdernder "Links-chaot" ist, den es abzuschieben gälte.

     

    Es bleibt nur zu befürchten, wie viele FLüchtlinge abgeschoben wurden oder werden sollen, die nicht so eine dolle Lobby hatten wie Aram.

  • PL
    Pippi Langstrumpf

    @Marianne: Spricht da etwa eine braune Vertreterin der "extremen Mitte", die gern alle Menschen innerhalb dieses Staatsterritoriums zur Vereinnahmung ihrer Standpunkte missbraucht? "Wir in Deutschland" - wer ist denn das? Und was ist mit denen außerhalb Deutschlands - denen drückt man dann die Leute auf, die einem nicht passen? Hat Deutschland etwa besondere Rechte, die es über andere erhebt? Oder sollten Deutsche mehr Rechte haben als nicht-Deutsche (Status Quo) - auf welcher Legitimationsgrundlage? Was kann ein Mensch dafür, wo er geboren ist und welche Herrscher was über seinen Kopf hinweg entscheiden?

     

    Leuten, die ideologisch nicht ins eigene Weltbild passen das Aufenthaltsrecht oder die Staatsbürgerschaft zu verweigern ist eine radikal asoziale und menschenverachtende Gesinnung. Diese Einstellung steht völkisch-nationaler Gesinnung auf jeden Fall näher als linker/liberaler.

    Ab wann ist eine Ansicht "besonders radikal" und welcher Logik entspricht es, sie deswegen als verachtenswert zu brandmarken ohne sich mit dem Inhalt einer Aussage zu beschäftigen?

    Wer meint, die Radikalität (von radix = Wurzel) einer Ansicht sei entscheidend darüber, ob es eine legitime/gute oder illegitime/schlechte Ansicht sei, hat sich ein sehr simples und undurchdachtes Weltbild zurechtgelegt, was dringender Überprüfung bedarf.

    Frauen, die vor 110 Jahren Frauenwahlrecht forderten oder die vor 50 Jahren forderten, dass Frauen rechtlich ebenso wie Männer als vollwertige, mündige Menschen behandelt werden und volle Menschenrechte genießen, waren auch "besonders radikal" - und damit schlecht und lebensunwürdig?! Petra Kelly, die Ende 80er/Anfang 90er Jahre forderte, dass Vergewaltigung von Frauen in der Ehe nicht mehr legal sein sollte wurde im Bundestag als "radikale Spinnerin" von den mehrheitlich männlichen Abgeordneten ausgelacht. Menschen im Iran, die sich heute gegen Ahmadinejad und religiöse Führer auflehnen haben ebenfalls "besonders radikale" Gesinnungen im Vergleich zum derzeitigen iranischen Mainstream. Diese Menschen sollte man alle verbannen oder was?

  • W
    wahlschottin

    @ Marianne

    Und was ist bitteschoen radikal an diesem jungen Mann?? Das er demokratisch gewaehlter Schuelersprecher ist? Oder Mitglied einer als gemeinnuetzig anerkannten Vereinigung? Oder dass er genug politisches Bewusstsein hat, auf eine Demo gegen Rechts zu gehen?

     

    Der Verfassungsschutz sollte mal die Scheuklappen abnehmen und die Augen aufmachen, dann wuerden die Herren und Damen auch vielleicht etwas mehr Sinn fuer die Realitaet abkriegen.

  • IE
    ist egal

    "Die SDAJ ist nicht verboten und von der Stadt Hannover als gemeinnützige Organisation anerkannt".

     

    Auf solch plumpen "Extremismus der Mitte", der immer und überall mit der Radikalenkeule kommt ohne auf Hintergründe zu achten, erst recht.

  • M
    Marianne

    Auf Menschen mit besonders radikaler Gesinnunge können wir in Deutschland verzichten, da ist es mir egal ob er rechts oder links ist.