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Trotz Unfalls geht die Arbeit weiter

■ Bauarbeiter enthüllt: Termindruck und mangelnde Koordination machen Europas schnellste Baustelle für das Kaufhaus Peek & Cloppenburg am Tauentzien zum Risiko für Beschäftigte und Passanten

„Ich war schon auf vielen Großbaustellen, aber das hier ist die chaotischste von allen“, erzählt Heinz K., Vorarbeiter auf der Baustelle Tauentzienstraße Ecke Nürnberger Straße. Was selbst die staatlichen Überwachungsbehörden oft nur ahnen können, machte K. jetzt öffentlich. Am 18. Januar waren sechs Passanten von einem umstürzenden Bauzaun zum Teil schwer verletzt worden. Offensichtliche Ursache: unsachgemäß gelagerte Baumaterialien. Wie der Mitarbeiter einer westdeutschen Ausbaufirma jetzt erzählt, waren bis zum Eintreffen der Kripo die gegen den Bauzaun gelehnten Materialien längst beiseite geschafft worden.

Erst einige Tage zuvor war auf der Baustelle, die von den Bauunternehmern zur schnellsten Europas erklärt wurde, ein Arbeiter beim Sturz von einem Baugerüst ums Leben gekommen. Grund: eine fehlende Rückenstütze am Baugerüst. „Das kommt halt manchmal vor, daß man Material am Gerüst hochziehen muß, und dabei ist dann unter Umständen eine Strebe im Weg, die zeitweilig entfernt werden muß. Das hat der Mann offensichtlich übersehen“, sagt Heinz K. Er kritisiert mangelhafte Koordination und fehlende Absprachen der einzelnen Gewerke untereinander. „Es ist auf dieser Baustelle völlig normal, daß eine neu eintreffende Firma den Dreck der Vorgänger beseitigen muß, um ihre Arbeit ordnungsgemäß verrichten zu können“, kritisiert K. weiter. Seit den Unfällen werde allerdings vermehrt auf eventuelle Gefahren geachtet. Kein Wunder, denn nach den Unfällen im Januar sah das Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit auf der Baustelle erhöhten Handlungsbedarf.

„Seit Baubeginn haben wir dort zwanzig Besichtigungen durchgeführt, um die Einhaltung von Arbeitsschutzmaßnahmen zu überprüfen“, versichert Erhard Schulz, ein Abteilungsleiter dieser Behörde. Für die Sicherheit der Bauzäune sei indessen das Bau- und Wohnungsamt Schöneberg zuständig. „All diese Einzelinitiativen bringen doch überhaupt nichts!“ schimpft dagegen der Vorarbeiter Heinz K.

Scharfe Kritik auch von Brita Sch., die als Anwohnerin besonders von dem Baulärm betroffen ist. Sie erzählt, daß der tödlich verunglückte Arbeiter noch stundenlang halbnackt mit offenem Schädel auf der Baustelle gelegen habe, während die Arbeiten wie gewohnt weitergeführt worden seien. Brita Sch. macht auch dafür den Termindruck der Baugesellschaft FAAG verantwortlich, die im Auftrag des Bekleidungshauses Peek & Cloppenburg den Neubau in nur zehn Monaten hochziehen soll. „Schon beim Abriß des Altbaus sind meterlange Glasscheiben durch die Schutzplanen gesaust und bis auf die Straße geflogen.“ Auch die Verladung der Transportmaterialien zu den Hauptgeschäftszeiten habe frei schwebend über den Passanten stattgefunden, so daß diese häufig mit eingezogenen Köpfen die Kreuzung überqueren mußten.

Der große Termindruck der Baugesellschaft sei schon dadurch offenkundig, daß die Firmen über Wochen hinweg bis in die frühen Morgenstunden gearbeitet hätten. Brita Sch.: „Die haben erst aufgehört, wenn wir morgens um zwei die Polizei gerufen haben.“ Doch nach einer Weile waren es die Beamten leid, Nacht für Nacht wegen der Ruhestörung alarmiert zu werden. „Die haben mich am Schluß nur noch ausgelacht“, erzählt die Anwohnerin. Peter Lerch

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