portrait : Trommler gegen die schwarze Republik
Günter Grass trommelt wieder. Mit seiner Ankündigung, zusammen mit jungen Schriftstellern für Rot-Grün Wahlkampf zu machen, hat der Literaturnobelpreisträger für Aufsehen gesorgt. Mit Veröffentlichungen, Lesungen und ihrer Teilnahme an Diskussionsrunden wollen Günter Grass und seine Mitstreiter in den kommenden Wochen die rot-grüne Politik der vergangenen Jahre verteidigen. Grass lobt die Regierung dafür, „notwendige und auch schmerzhafte Reformen“ auf den Weg gebracht zu haben, und befürchtet, Deutschland könnte wieder „gänzlich schwarz werden“.
Um dies zu verhindern, steigt Grass also nochmals in den Ring. Bei einer Rede zur Enthüllung der Skulptur „Non Violence“ im Park des Bundeskanzleramtes wetterte der 77-Jährige am Sonntagabend gegen den uneinsichtigen Imperialismus der USA und lobte die Bundesregierung für ihr „Nein“ zum Irakkrieg. Gestern fand er sich dann in der Berliner Kulturbrauerei ein, um auf Einladung der SPD mit anderen Kulturschaffenden über „Kultur als Lebensmittel“ zu diskutieren.
Mit Wahlkämpfen hat Grass Erfahrung. Bereits 1965 versammelte er in einem „Wahlkontor“ Schriftsteller, die Willy Brandts Kanzlerkandidatur unterstützten. Auch 1969 und 1972 warb er weiter für Willy Brandt, trat aber erst 1982, als die „geistig-moralische Wende“ Helmut Kohls drohte, in die Partei ein.
Seinen nächsten großen Auftritt hatte Grass dann 1997. In diesem Jahr verfasste er mit anderen Intellektuellen die „Erfurter Erklärung“. In ihr wurde die „Verantwortung für die soziale Demokratie“ betont, vor „sozialen Verschleißerscheinungen“ gewarnt und ein Regierungswechsel gefordert. Dass Grass daraufhin die SPD im Wahlkampf unterstützte, wunderte deshalb niemanden. Die Sympathie für Schröder und Fischer verließ ihn auch nicht nach deren Machtübernahme: 2002 hielt er auf der Abschlussveranstaltung des SPD-Wahlkampfes eine große Rede.
Obwohl er in Wahlkämpfen aktiv für linke Politik warb, ist Günter Grass immer ein Querdenker geblieben. 1990 äußerte er seinen Unmut über die „Ruckzuck-Einheit“ der deutschen Wiedervereinigung und forderte stattdessen eine allmählich zusammenwachsende deutsche Kulturnation. Und drei Jahre später trat er aus Protest gegen den Asylkompromiss, den die SPD mit der CDU eingegangen war, aus der Partei aus. Und erst im Mai diesen Jahres stellte er sich in einem Beitrag für die Zeit gegen die Tendenz, „dem neoliberalen Zeitgeist“ genehm die Freiheit nach Börsenmaß zurechtschneidern zu wollen. Dass man Grass’ mahnende Stimme auch nach der Bundestagswahl noch oft hören wird, ist nicht zu bezweifeln. MARTIN SCHNEIDER