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Tritiumgas geliefert

Die Erklärung der Hanauer Staatsanwaltschaft im Wortlaut  ■ D O K U M E N T A T I O N

Etwa Mitte August 1988 wurde die Staatsanwaltschaft Hanau davon informiert, daß der technische Geschäftsführer der Firma NTG (Neue Technologien GmbH) in Gelnhausen-Hailer entlassen worden sei, weil er Untreuehandlungen zum Nachteil der Firma begangen habe. Auf die Strafanzeige und Rückforderung der veruntreuten Gelder soll verzichtet worden sein, um das Bekanntwerden illegaler Auslandsgeschäfte des Geschäftsführers in der Öffentlichkeit zu verhindern. Diese Informationen wurden durch die aufgenommenen Ermittlungen weitgehend bestätigt.

Mitte November 1988 erlaubten die Ermittlungsergebnisse die Erwirkung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen für die Firmen NTG, PTB (Physikalisch Technische Beratung) in Ortenberg sowie zwei beschuldigte Personen. Die freiwillig herausgegebenen Geschäftsunterlagen der Firmen NTG und PTB wurden sichergestellt und werden derzeit ausgewertet.

Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist davon auszugehen, daß Untreuehandlungen zum Nachteil der Firma NTG sowie Verstöße gegen die Abgabenordnung nachgewiesen werden können. Darüber hinaus wurde festgestellt, daß die Beschuldigten seit 1982 geschäftliche Kontakte mit Vertretern der pakistanischen Atomenergiebehörde hatten. Nach ihren eigenen Einlassungen haben sie bis Sommer 1988 u.a. kerntechnische Anlagenteile ohne die erforderlichen Genehmigungen des Bundesamtes für Wirtschaft nach Pakistan geliefert. Es handelte sich dabei um Komponenten für die Brennelementefertigung, eine Anlage zur Behandlung von Tritium, Tritiumgas sowie Transport- und Lagerbehälter für Uranhexafluorid. In mehreren Einzelfällen wurden Hüllrohre, Bleche und Stangen aus Zirkaloy für die Brennelementefertigung, ein Sinterofen, Vakuum-Schmelzöfen für die Uranschmelze, eine Pellet-Presse u.a. geliefert.

Die weiteren Ermittlungen haben ergeben, daß die Beschuldigten kerntechnische Anlagenteile ohne die erforderliche Genehmigung des BAW (Bundesamt für Wirtschaft) auch nach Indien und Südafrika geliefert haben. Hierbei handelte es sich im Falle Indiens um Reflektormaterial sowie Cadmiumrohre und im Falle Südafrika um eine Brennelemente -Meßmaschine.

Hiernach besteht auch der Verdacht eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Zur Bearbeitung des Verfahrens wurde beim Hessischen Landeskriminalamt eine Sonderkommission „AG NTG“ gebildet.

Ein zunächst ergangener Haftbefehl gegen den ehemaligen Geschäftsführer der NTG wurde am 9.12. 1988 gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Mit Rücksicht auf das Interesse der Öffentlichkeit erscheint Ihre Unterrichtung in diesem frühen Stadium vertretbar. Allerdings können weitere Auskünfte mit Rücksicht auf den derzeitigen Stand der Ermittlungen bis auf weiteres nicht erteilt werden.

Farwick

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